Ein neuer Versuch: Nach dem New Scientist versucht es WIRED. Seit Oktober 2014 gibt es den Ableger des US- amerikanischen Magazins. Zeit für einen Zwischenstand. Ein Interview mit einem beschwingten Chef Nikolaus Röttger. VON HELENA WITTLICH

Cover WIRED_02.15

Drei Monate WIRED in Deutschland: Zufrieden? 

Ich bin sehr zufrieden. Wir sind gut gestartet. Aber natürlich probieren wir nach wie vor viel aus. Ähnlich wie bei einem Startup versuchen wir, „always in beta“ zu denken und konstant alles zu testen. Was funktioniert gut auf der Website? Wie erzählen wir Geschichten online und wie im Heft? Gerade planen wir online die nächsten großen Themen. Aktuell haben wir zum Beispiel ein Special zur Zukunft der Musik auf WIRED.de.

Was unterscheidet euch von den anderen?

WIRED ist eine starke Marke und auch in den USA ziemlich erfolgreich. Eine Besonderheit von WIRED ist das Interdisziplinäre: Bei uns geht es nicht rein um Wissenschaft oder nur um Startups. Wir berichten über die Erfindung der Zukunft und Innovationen in allen Bereichen. Die Themen sind sehr vielfältig.

Gibt es denn eine Konkurrenz?

Am deutschen Markt fällt mir nichts ein. Natürlich gibt es immer Schnittmengen zu anderen Medien. Wir haben Wissenschaftsthemen und es gibt Wissenschaftsseiten, es gibt Internetmagazine und wir haben Internetthemen. Ich glaube aber, dass unter anderem diese Mischung, dieses Interdisziplinäre, WIRED einzigartig macht.

Nikolaus Röttger scheut sich nicht, "journalistisch-philosophisch" zu werden, wenn er WIRED beschreibt. (Foto: (C) Condé Nast Verlag)

Nikolaus Röttger scheut sich nicht, „journalistisch-philosophisch“ zu werden, wenn er WIRED beschreibt. (Foto: (C) Condé Nast Verlag)

Was macht Sie so sicher, das Print noch erfolgreich ist?

Wir wollen unsere Inhalte auf allen Plattformen und Devices anbieten, auf denen Leser und Leserinnen WIRED haben wollen. Das heißt: Man kann WIRED als gedrucktes Heft lesen, aber auch Mobile, auf dem Tablet oder dem PC. Auch alle Heftinhalte sind online zu lesen. Was mich immer wieder überrascht, ist, dass so ein gedrucktes Heft bei vielen, die sonst 100% digital sind, eine hohe Wertigkeit hat, weil – das ist jetzt sehr journalistisch-philosophisch – das Heft eine Momentaufnahme suggeriert und alle wissen, dass alles darum weiterfließt. Wir wollen versuchen, wie eine Insel in diesem Content-Strom zu sein. Drumherum fließen die Tweets und die Facebook-Updates. Wenn du möchtest, kannst du dich auf diese Insel setzen, um dort eine Einordnung zu bekommen. Oder du springst eben in den Content-Strom und schwimmst weiter zwischen all den Real-Time-Updates, die es so gibt. Das hat WIRED schon immer international stark gemacht: Wir wollen Kontext geben und Themen einordnen.

Was macht WIRED mit dem Wissenschaftsjournalismus in Deutschland?

Wir versuchen im Heft und online Wissenschaftsgeschichten zu erzählen, zum Beispiel porträtieren wir im aktuellen Heft 15 Innovatoren. Hier sieht man den interdisziplinären Ansatz. Einer von ihnen ist ein Designer aus München, der Möbel mit dem 3D-Drucker kreiert. Eine andere forscht an einem Impfstoff gegen Krebs.

Also berichtet ihr weniger über die Forschung und mehr über die Leute?

In dieser Ausgabe ist das der Fall, weil wir tatsächlich herausragende Leute gesucht haben, die etwas Innovatives und Kreatives machen. Generell geht es aber darum, den richtigen Dreh zu finden: Wir versuchen die Geschichten so zu erzählen, dass wir unseren Lesern das Thema möglichst nahe bringen können.

Was ist denn der WIRED-Dreh?

Am Anfang steht natürlich immer die Suche nach dem Thema oder einer spannenden Geschichte. In unseren Redaktionskonferenzen diskutieren wir viele Themen, aber die entscheidende Frage ist dabei immer: Was ist die spannende Geschichte dahinter, der Kern? Darauf kommt es an. Haben wir den gefunden, überlegen wir, wie wir diese Geschichte am besten erzählen können. Ist es etwas für das Heft, für online oder beide Plattformen? Können wir sie toll inszenieren, fotografieren und dann sechs Seiten daraus machen? Oder stellen wir einen Forscher auf einzelnen Seiten vor? Lässt sich eine Multimedia-Geschichte oder ein Themen-Special daraus machen? Wenn man einmal den Kern der Geschichte hat, kann man das in kleinen Schritten entscheiden.

Und wie unterscheiden sich die Geschichten von anderen?

Es ist ein Riesenunterschied, ob man in einem Wissenschaftsmagazin veröffentlicht, das sich an ein Fachpublikum richtet, oder bei einer General-Interest-Marke wie WIRED. Wir sprechen ein viel breiteres Publikum an. Da ist es besonders wichtig, komplexe Themen greifbar zu machen, sie in den richtigen Kontext einzuordnen. Wir wollen, dass unsere Leser einen reflektierten Blick auf die Themen bekommen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft von WIRED?

WIRED ist kein Printmagazin mit einer Website, sondern eine ganze Marke. Beim Neustart war es uns wichtig, dass man WIRED auf vielen verschiedenen Ebenen erleben kann. Wir wollen unseren Lesern die Welt von morgen nicht nur in unseren Geschichten im Heft oder online näherbringen, sondern sie gemeinsam mit ihnen gestalten, darüber debattieren und Erfahrungen austauschen. Das möchten wir in Zukunft auch auf Konferenzen und Events oder in den Kursen, die wir in diesem Jahr gemeinsam mit unserem Partner Hyper Island zum ersten Mal anbieten. Und es wäre schön, wenn wir damit einen Weg gefunden hätten, der unseren Lesern Spaß macht.


Helena Wittlich ist freie Wissenschaftsjournalistin. Sie lebt in Berlin.