Stiftungsfinanzierter Journalismus – ist das gut, ist das böse, darf man das machen? Die Debatte hier im Blog bleibt einigermaßen theoretisch. Mit dem Science Notes Magazin wollen wir ein Beispiel aus der Praxis vorstellen und zur Diskussion aufrufen.

Von Bernd Eberhart und Thomas Susanka

Die Diagnose steht schon lange fest: Krise. Die Zeitungen, ja der ganze Journalismus ist in der Krise und der Qualitätsjournalismus insbesondere – und unweigerlich sind somit auch die Journalistinnen und Journalisten in der Krise. Gerade auch die Sonderformen des Journalismus haben zu kämpfen, und hier auf dem Meta_Blog wird besonders die Wissenschaftsjournalismuskrise diskutiert. An dieser Stelle wollen wir die verschiedenen Beispiele, Ursachen und Auswirkungen nicht noch einmal beschreiben, das haben andere Autoren schon ganz hervorragend getan. Auch wollen wir die Diagnose keinesfalls anzweifeln, und wir haben kein universelles Erfolgsrezept anzubieten. Vielmehr möchten wir einen möglichen Weg für den Wissenschaftsjournalismus zeigen, den wir nun seit gut anderthalb Jahren gehen; ein Weg, der seine ganz eigenen Herausforderungen hat, der aber gangbar ist und uns voran führt. Wir möchten ein Beispiel aus der Praxis beisteuern für ein Konzept, das hier immer wieder beschrieben und diskutiert wurde: den stiftungsfinanzierten Wissenschaftsjournalismus.

Im Februar 2018 haben wir das erste Science Notes Magazin herausgebracht. In diesem Magazin wollen wir Geschichten aus der und über die Wissenschaft erzählen, inhaltlich akkurat und qualitativ hochwertig in Text und Gestaltung. Wichtig ist uns, nicht nur Ergebnisse zu präsentieren, sondern auch die Prozesse und Charaktere zu beschreiben, die dahinter stecken; wir wollen nicht nur die Antworten übernehmen, die die Wissenschaft bietet, sondern wir wollen Fragen an die Wissenschaft stellen, die sich aus der Gesellschaft und dem Zeitgeist heraus entwickeln. Seit der im September 2018 erschienenen zweiten Ausgabe trägt das Heft daher auch den Untertitel „Magazin für Wissen und Gesellschaft“.

Das Magazin richtet sich an Menschen, die Geschichten und Reportagen mögen und die sich grundsätzlich für Wissenschaft interessieren, sich aber nicht die typischen Magazine kaufen würden, mit Weltraumfotos auf der Titelseite oder Aufnahmen aus dem Elektronenmikroskop. Auch will das Science Notes Magazin keinen Servicejournalismus bieten mit Gesundheitsthemen oder Rücken-Titeln. Im Prinzip wollen wir einfach neugierig machen – auf den Prozess, das Abenteuer Wissenschaft. Diesen Grundgedanken hat das Magazin übernommen von der gleichnamigen Veranstaltung, die seit 2013 in zahlreichen deutschen Städten stattfindet: Bei den Science Notes stellen fünf renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Arbeit in je 15 Minuten vor, in angesagten Clubs und entspannter Atmosphäre, zu kalten Getränken und elektronischer Musik. Die Wissenschaft, so die Idee, kommt heraus aus den Labors und Forschungsstellen hin zu den Menschen. Und das funktioniert: Egal ob in Heidelberg, Hamburg, Berlin oder Tübingen, fast alle Science Notes sind proppenvoll, oft müssen Besucher vor den Türen warten, weil es keinen Platz mehr gibt. Und das Publikum ist bunt gemischt; die Nachfrage nach spannend aufbereiteten Informationen aus der Wissenschaft ist also quer durch die Gesellschaft deutlich vorhanden.

Die Veranstaltung entstand als Projekt am Seminar für Allgemeine Rhetorik der Universität Tübingen und wird von Anfang an unterstützt von der Klaus Tschira Stiftung. „Die Klaus Tschira Stiftung fördert Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik und möchte die Wertschätzung für diese Fächer in der Gesellschaft steigern“, heißt es in deren Stiftungszielen; sie wolle „Begeisterung entfachen“, und Schwerpunkte sind dafür Bildung, Forschung und Wissenschaftskommunikation.

Nachdem wir sowohl mit der Veranstaltung als auch mit der Klaus Tschira Stiftung gute Erfahrungen gemacht haben, überlegten wir, ob wir das Konzept auf andere Kanäle übertragen könnten – und landeten beim Magazin. Klar war uns, dass wir hier nicht die Forscher und Wissenschaftlerinnen selbst über ihre Arbeit berichten lassen wollen, sondern einen unabhängigen, objektiven Wissenschaftsjournalismus betreiben wollen, der sich auch kritisch positionieren darf.

Die Stiftung war mit diesen Ideen einverstanden. Aus dem Nichts ein Magazin zu gründen, ohne Redaktionsräume, Verlag, Vertrieb oder Web-Adresse, ist allerdings ein, gelinde gesagt, ambitioniertes Anliegen. So haben uns am Anfang neben dem redaktionellen und gestalterischen Konzept viele organisatorische Fragen beschäftigt. Am Ende dieses Prozesses entstand das Science Notes Magazin als Projekt, das zunächst strukturell an die Uni Tübingen angeschlossen ist. Das erspart uns sehr viel Aufwand und Kosten. Voraussetzung war dabei allerdings, dass wir uns trotz der Anbindung an die Uni inhaltlich frei bewegen können.

„Gefördert von der Klaus Tschira Stiftung“ steht in unserem Impressum. Und: „Das Science Notes Magazin ist redaktionell unabhängig“ – und zwar sowohl von der Klaus Tschira Stiftung als auch von der Universität Tübingen. Noch nie kam es vor, weder bei einer Veranstaltung noch bei der Konzeption einer Ausgabe des Magazins, dass wir in irgendeine Richtung beeinflusst oder gelenkt wurden.

In der laufenden ersten Phase finanziert die Stiftung nun volle fünf Ausgaben, die im halbjährlichen Rhythmus erscheinen und keine bezahlten Anzeigen enthalten. Die Hefte sind bundesweit im Bahnhofs- und Flughafenzeitschriftenhandel erhältlich, ein Dienstleister organisiert den Vertrieb. Das Magazin kann auch über unsere Homepage bestellt werden. Unser Team besteht aus ungefähr vier halben Stellen für Redaktion und Art Direction. Großen Wert legen wir auf eine faire Bezahlung und vor allem einen guten Umgang mit unseren AutorInnen, GrafikerInnen und FotografInnen.

Mit zwei Magazinen pro Jahr befinden wir uns momentan in einer Experimentierphase. Tatsächlich verschafft uns diese Finanzierungsform große Freiheiten: Wir können ausprobieren, neue Gestaltungsansätze und Erzählformen im Wissenschaftsjournalismus erkunden, uns was trauen, einen eigenen Stil entwickeln: Von Seiten der Texte her setzen wir klar auf einen erzählerischen Ansatz. Wir wollen – hier sehen wir einen deutlichen Unterschied zum „klassischen Wissenschaftsjournalismus – weg von einer vorwiegend ergebnisorientierten Berichterstattung und hin zu den Geschichten, die hinter den Ergebnissen stecken, hin zu den Menschen, die für die Forschung leben, zu den Fragen, die sie sich stellen und denen sie sich stellen müssen. Wir wollen offen sein für neue Textformen, und wir versuchen auch bei den AutorInnen auf eine Mischung aus WissenschaftsjournalistInnen und ReportageschreiberInnen zu setzen, die unseren monothematischen Ausgaben (bisherige Titel waren Optimal, Gefahr, Echt und Kommt zusammen) ganz unterschiedliche Perspektiven verleihen.

In Kombination mit unserem visuellen Konzept füllen wir damit eine Lücke im Zeitschriftenregal: Wir verwenden viel Zeit für die Auswahl von geeigneten Illustratoren und Fotografen. Ästhetisch zielen wir auf eine andere Bildwelt ab, als gängige Wissenschaftsmagazine – was dann vielleicht mehr an ein Kultur- oder Gesellschaftsmagazin erinnert. In den Illustrationen bewegen wir uns weg von der typischen Wissenschaftsillustration und suchen neue Formate, Wissen zugänglich und verständlich zu machen.

Seit unserem ersten Heft konnten wir aber auch Veränderungen auf dem Markt beobachten. Andere Wissensmagazine haben sich ebenfalls auf die Suche nach neuen ästhetischen Formen gemacht. Wir finden spannend, was da gerade passiert – und verstehen wir uns auch als Impulsgeber. Wir wissen zumindest, dass das Science Notes Magazin in einigen Redaktionen sehr intensiv diskutiert wurde.

„Ohne neue Finanzierungsmodelle“, heißt es bereits 2014 in einer gemeinsamen Stellungnahme von Leopoldina, acatech und der Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften „Zur Gestaltung der Kommunikation zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und den Medien“, „ohne eine – zumindest zeitweise bzw. in einer Übergangsphase erfolgende – Unterstützung durch Politik und/oder Stiftungen … wird es viele klassische Qualitätsmedien (vor allem im Printbereich) in der jetzigen Form in absehbarer Zeit wohl nicht mehr geben. Eine derartige Unterstützung der Massenmedien, die deren Unabhängigkeit allerdings gewährleisten müsste, … würde dem Verlust einer zumindest basalen Scientific Literacy in der Gesellschaft entgegenwirken.“

Noch stehen wir an einem Anfang. Doch dass dieser Anfang gemacht ist, deuten wir als ein weiteres Zeichen dafür, dass es verschiedene Wege aus der Krise gibt. Neben Crowdfunding und neuen Monetarisierungskonzepten wie etwa bei den Riffreportern kann Wissenschaftsjournalismus auch stiftungsfinanziert funktionieren, und zwar durchaus hochwertig, objektiv und unabhängig.

Unser Testballon kann durchaus weiter steigen, wenn alle Beteiligten mit dem Projekt zufrieden sind und wir genügend Leser und Abonnenten erreichen und überzeugen können. So wie es sich momentan abzeichnet, werden wir unser Finanzierungskonzept zumindest mittelfristig so beibehalten. Für die langfristige Planung sind verschiedene Modelle denkbar und es wird sich zeigen, welche davon realistisch sind. Natürlich wünschen wir uns, noch ein ganzes Stück zu wachsen – um dem impliziten Bildungsauftrag der Leopoldina folgen zu können, um mehr Menschen mit unseren Artikeln zu erreichen und zu begeistern und um mit dem Science Notes Magazin eine relevante Plattform für experimentierfreudigen Wissenschaftsjournalismus zu schaffen. Aber auch, um den Klagen über die Krise etwas Handfestes entgegenzusetzen. Um der Branche der Wissenschaftsjournalisten Mut zu machen. Und um zu zeigen, dass es sich noch immer lohnt, auf Qualität und gute Geschichten zu setzen.

Wir freuen uns über Feedback zu unseren bisher erschienenen Ausgaben und zu unserem Konzept – und über eine angeregte Diskussion über eine mögliche Zukunft des Wissenschaftsjournalismus: die Stiftungsfinanzierung.

 

SCIENCE NOTES MAGAZIN

Bernd Eberhart ist Wissenschaftsjournalist und hat unter anderem für ZEIT, Süddeutsche Zeitung, bild der wissenschaft oder brand eins geschrieben. Er hat das Science Notes Magazin mit konzipiert und aufgebaut und arbeitet dort als Redakteur, zudem schreibt er weiterhin freiberuflich.

Thomas Susanka ist Herausgeber des Science Notes Magazins. Er organisiert seit 2013 die bundesweite Veranstaltungsreihe Science Notes und ist akademischer Mitarbeiter am Seminar für Allgemeine Rhetorik der Universität Tübingen.

Das Science Notes Magazin erscheint zwei Mal jährlich mit einer aktuellen Auflage von 5.000 Stück. Für sechs Euro ist es bundesweit am Bahnhofskiosk erhältlich, ein Jahresabo kostet zehn Euro. Einblicke ins Heft und weitere Informationen finden sich online unter www.sciencenotes.de, Fragen und Angebote beantworten die Autoren gerne unter bernd.eberhart@sciencenotes.de oder thomas.susanka@sciencenotes.de.