Eine neue Studie von Christopher Buschow und Christian Wellbrock hat die Zahlungsbereitschaft unter deutschen Online-Nutzern ausgeleuchtet. Eine Erkenntnis: Ein Teil wäre bereit, für Journalismus Geld auszugeben. Der Wissenschaftsjournalismus könnte davon besonders profitieren, erklärt Christopher Buschow im meta-Interview. Allerdings bewegt sich die Zahlungsbereitschaft insgesamt auf ernüchternd niedrigem Niveau.
Das Interview führte Franco Zotta
meta: Herr Buschow, Laut Ihrer Studie sind annähernd zwei von drei Menschen, die in Deutschland online sind, nicht bereit, für digitalen Journalismus zu bezahlen. Was wissen Sie über die 40 Prozent, die bereit wären, für diese Inhalte Geld zu investieren? Wie viel wären sie zu zahlen bereit, wofür und in welcher Form?
Christopher Buschow: Unsere Repräsentativumfrage unter deutschen Online-Nutzern zeigt, dass rund ein Viertel der von uns Befragten im vergangenen Jahr mindestens einmal für digitalen Journalismus bezahlt haben: Nicht jeder, der grundsätzlich zahlungsbereit ist, gibt also schon heute Geld. Wir sehen hier ein bislang ungehobenes Potenzial für Verlage und Mediengründungen, diese zahlungsbereiten Kunden für ihre Angebote zu gewinnen.
Man muss aber realistisch bleiben: Im Schnitt liegt die Zahlungsbereitschaft der von uns befragten Online-Nutzer bei rund 10 Euro pro Monat und damit deutlich unter den tatsächlichen Preisen, die gegenwärtig von Verlagen aufgerufen werden. Inhaltlich besteht, in dieser Reihenfolge, für die Ressorts Wirtschaft, Politik und Wissenschaft die stärkste Bezahlabsicht. Hingegen ist die Absicht zu bezahlen bei den thematischen Ressorts Kultur und Sport signifikant geringer ausgeprägt. Die Zahlungsbereitschaft besteht also in erster Linie für klassische „hard News“-Themen. Bevorzugt wird ein anbieterübergreifendes Flatrate-Modell: Das heißt eine Plattform, die Inhalte verschiedener Medien an einem Ort zusammenführt und zu einem fixen Monatsbetrag anbietet. Die Nutzerinnen und Nutzer kennen solche Dienste aus angrenzenden Medienmärkten: Netflix im Videobereich, Spotify in der Musikbranche.
meta: Wie müsste ein journalistisches Angebot inhaltlich und organisatorisch aus Ihrer Sicht aussehen, dass kompatibel ist mit den Erwartungshaltungen und der Zahlungsbereitschaft des Digital-Publikums?
Buschow: In unserer Studie haben Christian Wellbrock und ich Faktoren identifiziert, die Zahlungsbereitschaft für digitalen Journalismus erhöhen können. Das sind insbesondere die folgenden vier, auf die Verlage und Mediengründungen bei der Gestaltung von Angeboten achten sollten:
- Formate und Inhalte: Unsere Daten belegen, das Zahlungsbereitschaft vor allem für „hard News“-Themen und für nutzwertige Ratgeber- und Service-Inhalte besteht. Insgesamt wünscht man sich aber ein thematisch umfassendes Gesamtpaket.
- Orientierung und Vermeidung von Suchaufwand: Nutzerinnen und Nutzer bevorzugen Themenvielfalt und gemischte Angebote, die alle wesentlichen Inhalte abdecken („One-Stop-Shop“). Medienanbieter müssen aber auch Orientierung in diesen Angeboten ermöglichen, z.B. durch Kuratierung oder (algorithmische) Personalisierung.
- Qualitätssignale: Die Nutzerinnen und Nutzer wissen zu selten, was sie erwartet. Medien sollten Qualität signalisieren und Transparenz schaffen. Das kann beispielsweise gelingen durch einfach abzuschließende Testabonnements, Leseproben/Abstracts, kürzere Kündigungsfristen, eine transparentere Preisstruktur, einfache Bezahlsysteme und/oder eine verständliche Kommunikation über die journalistischen Arbeitsweisen.
- Preis: Das obere Ende der empfohlenen Preisspanne für digitale Abonnements liegt auf Grundlage unserer erhobenen Daten bei etwa 10 Euro pro Monat.
meta: 10 Euro? Zum Vergleich: Die Printausgabe der Süddeutschen Zeitung kostet monatlich zurzeit knapp sieben Mal mehr, nämlich 65 Euro, selbst die Digitalausgabe der SZ kostet beinahe das Vierfache. Das bedeutet im Umkehrschluss, eine marktförmige Refinanzierung von Qualitätsjournalismus mit Vollredaktionen, die ein breites Ressortportfolio vom Lokalen bis Wissenschaft und Politik abdecken, ist angesichts der ermittelten Zahlungsbereitschaft im Digitalen utopisch? Mutiert diese Art von Journalismus künftig zu einem Luxusgut für ein begütertes Publikum?
Buschow: In den vergangenen Monaten gab es einen spürbaren Hype um Leserzahlungen im Journalismus. Aus meiner Sicht unterstreicht unsere Studie, dass diese Hoffnungen überzogen sind. Es besteht m.E. durchaus die Gefahr, dass die Zahlungsbereitschaft der Nutzer – abseits weniger Nischen – zu niedrig ist, als dass ausschließlich auf Grundlage dieser nutzerseitigen Einnahmen die heute etablierten Redaktionsstrukturen für hochwertigen Journalismus finanziert werden können. Hinzu kommen die problematische Situation am Anzeigenmarkt und die Schwierigkeiten, neue, zum Journalismus komplementäre Erlösquellen zu entwickeln. In der Konsequenz kann die traditionelle Redaktion damit zu einem Auslaufmodell werden, die absehbar nur noch als Ausnahme – dort, wo man sie sich noch leisten kann oder will (öffentlich-rechtlicher Rundfunk, internationale „Love-Brands“ wie New York Times) – fortbestehen wird. Für mich ist das eine der zentralen Implikationen, die auch aus unserer Untersuchung ziehe.
Meines Erachtens sollten etablierte Medienhäuser und Start-ups die Möglichkeiten der Digitalisierung zum Ausgangspunkt für die Suche nach neuen Organisationsformen für professionelles journalistisches Arbeiten machen. Es gilt den schwierigen Balanceakt zu bewerkstelligen, einerseits die Erosion der für unsere Demokratie so wichtigen Arbeitsstandards des Journalismus abzuwenden, sie aber andererseits trotzdem kostengünstiger – d.h. nicht mehr in den klassischen, gelernten Redaktionsstrukturen – zu organisieren. Digital basiertes Wirtschaften, Formen virtueller Zusammenarbeit, die Öffnung der Wertschöpfung für Partner, Automatisierung (z.B. über Künstliche Intelligenz) usw. können neue Wege in diese Richtung eröffnen – ich spreche in meiner Forschung von „post-redaktionellen Organisationen“ für journalistisches Arbeiten. Die Medien müssen hier aber noch viel stärker ins Experimentieren kommen. Und auch die Journalismusforschung ist gefordert; es besteht großer Forschungsbedarf.
meta: Ihre Studie zeigt, dass das Publikum vor allem bereit wäre, für nutzwertigen Journalismus zu bezahlen. Was genau verstehen Sie darunter und warum ist das besonders attraktiv? Wie verorten Sie in diesem Kontext das Ressort „Wissenschaft“? Ist das Teil der Nutzwertlogik?
Buschow: Wir erkennen eine erhöhte Zahlungsbereitschaft, wenn digitaler Journalismus einen praktischen Mehrwert verspricht. Inhalte mit direktem Nutzwert, die ihren Käuferinnen und Käufern etwa geldwerte Informationsvorsprünge (z. B. Wirtschaftsberichterstattung), Entscheidungshilfen (z. B. Testberichte) oder Zeitersparnisse (z. B. durch lokale Informationen zu Straßensperrungen) verschaffen, sollten daher von Verlagen und Mediengründungen als Bestandteile von Bezahlangeboten in Erwägung gezogen werden. Wenn Sie heute die Startseite von „Spiegel Online“ ansehen, werden Sie feststellen, dass eine erhebliche Zahl an „SPIEGEL+“-Artikeln dieser Definition von nutzwertigen Inhalten entspricht.
Dass unsere Daten eine erhöhte Zahlungsbereitschaft für das Ressort Wissenschaft zeigen, kann in der Tat mit dem erwarteten Nutzwert zusammenhängen: Der Transfer aktueller wissenschaftlicher Ergebnisse mag helfen, im Alltag oder bei der Arbeit bessere Entscheidungen zu treffen oder bestimmte Vorteile zu erzielen.
meta: Welche Perspektiven sehen Sie für marktförmig finanzierten Qualitätsjournalismus? Welche Geschäftsmodelle haben aus Ihrer Sicht das Potenzial, sich selbst tragende Medienangebote zu ermöglichen?
Buschow: Das ist stark abhängig von den jeweiligen Inhalten und den Zielgruppen eines journalistischen Angebots. Die eine pauschale Lösung kann es nicht geben. Eins scheint mir aber klar: Selbst wenn man die Zahlungsbereitschaft der Nutzer erhöhen kann, so wird das allein den Journalismus nicht retten können. Die Medienanbieter müssen auch nach weiteren Erlösquellen suchen und Zusatzangebote für Nutzer machen, die über klassische journalistische Formate hinausgehen.
Nehmen wir die Analogie zum Musikmarkt: Hier hat sich der Markt im Zuge der Digitalisierung um 180 Grad gedreht. Musikaufnahmen, deren Verkauf in Form von Tonträgern früher die primäre Erlösquelle darstellte, sind heute in erster Linie Promotion für Live-Konzerte; über die Ticketpreise dieser Konzerte wird mittlerweile der Löwenanteil der Einnahmen erwirtschaftet. Das Medienmanagement sollte auf solche angrenzenden Märkte schauen, um nach Geschäftsmodellanalogien suchen. Auch der Blick in die Journalismusgeschichte kann hier hilfreich sein. Allerdings gilt es insbesondere im Journalismus, die Balance zu halten und publizistische Gesichtspunkte in wirtschaftliche Entscheidungen angemessen einzubeziehen, nach den Konsequenzen neuer Geschäftsmodelle für Medieninhalte zu fragen. Das ist aus meiner Sicht verlegerische Verantwortung.
meta: Das kann, überspitzt formuliert, bedeuten, journalistische Inhalte werden zum Appendix eines Geschäftsmodells, das sein Geld im Wesentlichen nicht mehr mit diesem Inhalt selbst verdient? Verlage mutieren dann zum Anbieter von ebenso kostspieligen wie ertragreichen Urlaubsreisen, Weinseminaren, Konferenzen oder, wie bei Gabor Steingarts „Media Pioneer“-Projekt schon zu erahnen, zur Influencerplattform für wohlhabende Clubmitglieder mit Interesse an Kontakten in die politische Entscheiderwelt, die der Journalismus diesem Club dann gegen entsprechendes Entgelt vermittelt?
Buschow: Haben Verlage denn früher ihr Geld vorrangig mit Journalismus verdient? Die Antwort ist nein: Bis in die 1990er Jahre wurden die deutschen Tageszeitungen zu rund 60 Prozent aus Anzeigenerlösen finanziert. Schon einer der Gründerväter meines Faches, Karl Bücher, schrieb um 1912, dass die Verlage eigentlich nicht im Nachrichtengeschäft tätig seien, sondern genau genommen in der Produktion und Vermarktung von Zugang zu werberelevanten Zielgruppen. Verlage waren immer (auch) ‚Zeitungsverkäufer‘ mit dem Ziel, knappe Anzeigenfläche zu veräußern.
In Mediengründungen und Verlagen muss es heute darum gehen, komplementäre Produkte zum Journalismus zu finden, die seine Produktion einerseits refinanzieren können, die andererseits aber auch auf seine Leistungen (z.B. die erzeugte Aufmerksamkeit) angewiesen sind. Nur durch diese Verbindung – durch die Schaffung von Verbundprodukten – besteht für privatwirtschaftlich organisierter Verlage ein ökonomischer Anreiz, weiter in teuren Journalismus zu investieren. Ich bin da möglicherweise weniger skeptisch und beobachte die Initiative von Gabor Steingart vielmehr mit großem Interesse.
Meiner Meinung nach können wir die publizistischen Konsequenzen solcher Verbundproduktion erst im Nachhinein beurteilen – deshalb spreche ich mich deutlich für Experimente aus.
meta: Aber es ist ein fundamentaler Unterschied, ob ein Verlag über Anzeigenverkäufe als Kollateralnutzen eine unabhängige Redaktion finanziert oder ob die Grenzen zwischen verlegerischer und redaktioneller Arbeit bewusst fließend gestaltet werden, wie es jüngst Julia Bönisch, Mitglied der SZ-Chefredaktion, explizit gefordert hat. Sehen Sie nicht die Gefahr, dass in den von Ihnen genannten „Verbundprodukten“ am Ende eher publizistische Hybride entstehen, die sich womöglich durch Native Advertising und ähnliches ökonomisch tragen, aber um den Preis, dass wir morgen Journalismus nennen werden, was wir früher als interessengeleitete Kommunikation kritisiert hätten?
Buschow: Zunächst einmal denke ich, dass wir das Zeitalter der Printmedien nicht unnötig verklären sollten; auch die gedruckte, durch Anzeigen mitfinanzierte Tageszeitung gab es nie ohne Abhängigkeitsverhältnisse. Die kommunikationswissenschaftliche Forschung zeigt, dass die von Ihnen angesprochene Grenze zwischen verlegerischer und redaktioneller Arbeit – die sogenannte „Chinesische Mauer“ zwischen Redaktion und Anzeigenabteilung – spätestens seit der Einführung des Privatfernsehens einer Erosion unterliegt. Phänomene wie das „Redaktionelle Marketing“ sind wahrlich nicht neu und haben sich im Internetzeitalter nur noch verschärft.
Im alten Geschäftsmodell der Tageszeitung sehe ich den Vorteil, dass eine Vielzahl unterschiedlicher Anzeigenkunden für die Querfinanzierung des Journalismus sorgten. Das hat sicherlich Abhängigkeiten reduziert, da es finanziell zu verkraften war, wenn einzelne Werbungtreibende aufgrund scharfer Berichterstattung absprangen. Der „SPIEGEL“ hat das häufig genug unter Beweis gestellt.
Man muss aber ehrlich sein: In der heutigen Marktsituation wird keine solche Anzeigenfinanzierung mehr möglich sein; dazu hat die Digitalökonomie die Wettbewerbsparameter zu stark verschoben. Deshalb sehe ich – wenn man den privatwirtschaftlich finanzierten Journalismus nicht von Vornherein aufgeben möchte – keine Alternative als Experimente mit (möglichst vielen) komplementären Produkten anzustoßen. Da bin ich übrigens auch bei Julia Bönisch: Das wird nicht gehen, ohne dass Abteilungen zusammenarbeiten und in den Häusern Kräfte gebündelt werden! Die Journalistinnen und Journalisten müssen schon allein deshalb an der Entwicklung neuer Produkte mitwirken, da nur sie wiederum publizistische Maßstäbe an diese anlegen können.
meta: Was folgt daraus aus Ihrer Sicht für die bestehende Verlagswelt? Haben Sie den Eindruck, dass die etablierten Verlage und Sender eine kluge Strategie verfolgen, um den Strukturwandel des Mediensystems überstehen zu können?
Buschow: Auch diese Frage kann ich nicht auf Grundlage unserer Studie beantworten. Die Antwort müsste sehr viel umfangreich als hier möglich ausfallen. In aller Kürze und stark zugespitzt daher nur folgendes: Ich sehe auf Seiten der privatwirtschaftlichen Verlage im Kern drei strategische Stoßrichtungen, die m.E. unterschiedliche Erfolgsaussichten und Konsequenzen für den Journalismus haben:
- Eine auf starkes internationales Wachstum und Diversifikation, also die Verlagerung des Kerngeschäft in neue Märkte, angelegte Strategie. Insbesondere Axel Springer ist hier führend; hier hat man im vergangenen Jahrzehnt substanzielle Erlöse im Kleinanzeigenbereich – über Plattformen und ohne teure Journalismusproduktion – aufgebaut. Welche Entwicklung in diesem Umfeld das journalistische Geschäft erfahren wird, bleibt abzuwarten.
- Eine journalistische Konsolidierungsstrategie wie sie die Verlage Madsack oder auch Funke verfolgen. Hier geht es darum, das eigene Geschäft anorganisch durch Übernahmen von Regionalverlagen zu vergrößern und anschließend Effizienzen zu heben, z.B. durch die Zentralisierung überregionale Berichterstattung in einer Zentralredaktion. Für den Journalismus in privaten Verlagsumfeldern mag das immer noch die bekömmlichste Strategie sein.
- Eine „cash-cow“-Strategie vieler Lokalverlage, die weiterhin vom Bestandsgeschäft profitiert und nur zögerlich digitalisiert. Für diese Häuser wird es sehr schwer werden, wenn sich die Printtitel einmal nicht mehr rechnen.
Die Strategien der öffentlichen-rechtlichen Rundfunksender und des privatwirtschaftlichen Fernsehens wären gesondert zu betrachten, wobei letztere für journalistische Inhalte kaum eine Rolle spielen.
meta: Sehen Sie außerhalb der etablierten Medienwelt Start-ups und Initiativen, die Stützpfeiler einer neuen Medienwelt werden können? Und wenn ja: Welche Finanzierungskonzepte sehen Sie dort und wie betten diese sich ein in die Zahlungsbereitschaft, die Sie in Ihrer Studie ermittelt haben?
Buschow: Mathias Döpfner, CEO von Axel Springer und Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger, hat in einem Interview im Mai gesagt, dass wir „vor einer großen Gründungswelle von digitalen neuen journalistischen Projekten, Start-ups stehen, vor der Gründung neuer Verlage“.
Ich beschäftige mich seit Jahren mit deutschen Mediengründungen und bin daher weniger optimistisch als Döpfner. Die großen Erfolge sind bislang ausgeblieben. Das liegt aus meiner Sicht zentral auch daran, dass es in Deutschland vielerorts an geeigneter Anschubfinanzierung fehlt. Nehmen Sie das Beispiel „Media Pioneers“, das Sie oben genannt haben: Nach eigenen Angaben hat Herr Steingart hier rund 1,6 Millionen seines eigenen Geldes investiert.
Bevor unsere Befunde zur Zahlungsbereitschaft von Nutzern in journalistische Neugründungen überhaupt eine Rolle spielen können, brauchen wir zunächst einmal einen fruchtbaren Boden, auf dem diese Start-ups entstehen können.
meta: Woher kann Ihrer Ansicht nach das Geld kommen, um diesen fruchtbaren Boden zu bereiten, den Sie für unverzichtbar halten?
Buschow: Ich sehe verschiedene Akteure in der Pflicht: Die Pressewirtschaft sollte ihre publizistische Verantwortung, die sie in gesellschaftlichen Debatten zurecht reklamiert, auch durch die Finanzierung journalistischer Innovationen außerhalb der eigenen Unternehmensgrenzen wahrnehmen. Stiftungen könnten ihre Kräfte bündeln und gemeinsam Gelder in einen Start-up-Fonds für journalistische Experimente einbringen. Auch die Medienpolitik wäre gefordert, vorwärtsgerichtete Rahmenbedingungen und staatsfern organisierte Transformationshilfen zu schaffen. Natürlich kann es nicht darum gehen, Gründungen dauerhaft an den Tropf institutioneller Förderer zu hängen. Vielmehr sollten finanziell abgesicherte Experimentierräume und Reallabore geschaffen werden, in denen hoffnungsvolle Gründungen neue Produkte, Erlösquellen und Arbeitsweisen über das notwendige Zeitfenster erproben können, bis sie im Erfolgsfalle auf eigenen Beinen stehen.
ZUR PERSON
Dr. Christopher Buschow ist Juniorprofessor für „Organisation und vernetzte Medien“ im Fachbereich Medienmanagement an der Bauhaus-Universität Weimar. Zuvor war er wissenschaftlicher Mitarbeiter und Habilitand am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung (IJK) der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, wo er schwerpunktmäßig zu Unternehmertum in der Medienbranche forschte.
Buschow promovierte mit einer Studie zur Neugründung von Medienorganisationen.
DIE STUDIE
Die Studie MONEY FOR NOTHING AND CONTENT FOR FREE? ZAHLUNGSBEREITSCHAFT FÜR DIGITALJOURNALISTISCHE INHALTE von Christopher Buschow und Christian Wellbrock steht kostenlos zum Download bereit.
Zur Studie ist auch ein Factsheet erschienen mit den wichtigsten Ergebnissen in Kürze.
Kommentare
Josef König schreibt:
24. August 2019 um 10:57 Uhr
Danke für das ausführliche und aufschlussreiche Interview! Es zeigt für mich zweierlei: a) dass Experimente auf größerer Basis insbesondere von Verlegern und Verlegerverbänden notwendig und dass sie die dafür notwendige Finanzierung aufbringen müssten, und b) wie sehr der Interviewer traditionellen Vorstellungen verhaftet ist; fast aus jeder Frage liest man die Angst heraus, es könnte sich was ändern am traditionellen idealistischen Journalismus und der Trennung zwischen unabhängiger Redaktion und wirtschaftlichem Handeln der Verlage.
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