Ein Wochenrückblick des Science Media Center , über welche Forschungsergebnisse viele Wissenschaftsjournalisten zeitnah berichten:

Künstliche Intelligenz Pluribus pokert besser als die besten Menschen (Science)

Obgleich genügend Geld im Spiel gewesen ist, um die menschlichen Spieler*innen zu motivieren: Im No-Limit Texas Hold’em Poker gegen die Poker-KI Pluribus haben selbst die besten Spieler signifikant schlechter abgeschnitten als die KI. Während bisher Programme Menschen nur im eins gegen eins Poker besiegt hatten, hat sich Pluribus gegen fünf Spieler*innen durchgesetzt. Außerdem hat das Programm das Spiel ausschließlich im Spiel gegen sich selbst trainiert, bevor es dann mit den gelernten Strategien auf die menschlichen Poker-Asse getroffen ist. Im Vergleich zu anderen Künstlichen Intelligenzen wie Libratus, DeepStack oder AlphaGo hat Pluribus zudem deutlich weniger Rechenleistung benötigt. Die Studie der Wissenschaftler der Carnegie Mellon University Pittsburgh ist am 11.07.2019 im Fachblatt Science veröffentlicht worden.

Mindestens elf Mal ist von deutschsprachigen Medien unabhängig voneinander über die Studie berichtet worden. Das Science Media Center Germany hat vier unbeteiligte Experten zur Studie befragt, deren Statements vielfach medial aufgegriffen worden sind. Die Experten der schwedischen Luleå University of Technology und der Technischen Universität (TU) Darmstadt hielten die Studie im Gegensatz einem Experten der Medizinischen Universität Graz sowie einem weiteren Experten der TU Darmstadt nicht für einen Meilenstein auf dem Forschungsgebiet, wie es im Fachartikel selbst geheißen hatte. Stattdessen sei der Fortschritt eher inkrementell. Meist ist diese kritischere Ansicht zitiert worden. Ansonsten ähnelten sich die Einschätzungen der Experten: Die KI sei nicht generell übermenschlich, sondern nur für einen spezifischen Anwendungsbereich trainiert. Ein Transfer von der Anwendung im Poker auf andere, nützlichere Gebiete sei sehr schwierig. Neben den vom SMC interviewten Experten ist in der dpa-Meldung zudem ein Experte der Universität Würzburg zitiert worden. Spiele seien eher ein Anwendungsgebiet der KI, der wissenschaftliche Fortschritt laufe davon unabhängig weiter.

Steckbrief

Journal: Science

Pressemitteilungen: Ja (Von der Fachzeitschrift, vom Forschungsinstitut)

Aufgegriffen von:

  • dpa (11.07.2019): Berliner Zeitung Online (11.07.2019), science.ORF.at (11.07.2019),
  • Stuttgarter Zeitung (11.07.2019), Süddeutsche Zeitung Online (11.07.2019),
  • Golem.de (12.07.2019), Spiegel Online (12.07.2019), Tagesspiegel Online
  • (12.07.2019), Welt Online (12.07.2019), Nau.ch (15.07.2019), äquivalent SDA:
  • computerworld.ch (12.07.2019)
  • heise online (11.07.2019)
  • wissenschaft.de (11.07.2019)
  • Deutsche Welle (12.07.2019)
  • Deutschlandfunk Forschung Aktuell (12.07.2019)
  • Neue Zürcher Zeitung Online (12.07.2019)- Standard Online (12.07.2019)
  • Badische Zeitung (13.07.2019)
  • Süddeutsche Zeitung Online (13.07.2019)
  • futurezone.at (15.07.2019)
  • T3n.de (18.07.2019)

Globale Erwärmung verschiebt Städte Europas klimatisch etwa Tausend Kilometer gen Süden (PLOS ONE)

Unter der Annahme des eher optimistischen Repräsentativen Konzentrationspfades RCP 4.5 würde das Klima in Städten der nördlichen Hemisphäre deutlich wärmer und in den Tropen deutlich trockener werden. In Berlin könnten die gleichen klimatischen Bedingungen herrschen wie heute im australischen Canberra, Madrid könnte ein Klima haben wie derzeit Marrakech. Dieses anschauliche Ergebnis haben Wissenschaftler*innen der Eidgenössischen Hochschule Zürich am 10.07.2019 im Fachblatt PLOS ONE veröffentlicht. Sie hatten für 520 Großstädte weltweit ermittelt, wie sich verschiedene Klimavariablen bis 2050 verändern werden. Dann haben sie mittels statistischer Verfahren diejenigen Variablen herausgepickt, die mit vielen anderen korrelieren und die Daten daher gut zusammenfassen. Anhand dieser Variablen haben sie die Städte der Zukunft mit denen von heute verglichen, um zu bestimmen, welche sich am ähnlichsten sein werden. Im zukünftigen Berlin wird es ihren Berechnungen folgend deutlich wärmer: Die durchschnittliche Tages-Maximaltemperatur des wärmsten Monats stiege von 22 auf etwas über 28 Grad Celsius, die durchschnittliche´Tages-Minimaltemperatur des kältesten Monats von Minus 3,9 auf Minus 1,4 Grad. Die Jahres-Durchschnittstemperatur würde um etwa 1,8 Grad steigen. Mindestens sechzehn Mal ist von deutschsprachigen Medien unabhängig voneinander über

die Publikation berichtet worden. Der Tagesspiegel hat ausführlich diskutiert, inwiefern Berlin auf die Veränderungen vorbereitet ist. Teils ist medial von Temperaturanstiegen im Sommer und Winter die Rede gewesen, ohne zu definieren, was genau mit Temperaturanstiegen gemeint ist: Durchschnittswerte oder Durchschnittswerte der Maximal- oder Minimaltemperaturen? Zweimal sind an der Studie unbeteiligte Expert*innen zitiert worden. So hat das Redaktionsnetzwerk Deutschland eine Wissenschaftlerin der Oxford University wiedergegeben. Ihr zufolge sollte die Studie nur dazu dienen, den Menschen den Klimawandel zu veranschaulichen. Es gebe zu viele unbekannte Variablen, um  sie als konkrete Vorhersage verwenden zu können. Außerdem ist vom National Geographic in Experte der Pennsylvania State University zitiert worden, der die Studienergebnisse als realistisch einstufte.

Steckbrief

Journal: PLOS ONE 

Pressemitteilungen: Nein

Aufgegriffen von:

  • AFP (11.07.2019): Frankfurter Allgemeine Zeitung Online (12.07.2019)
  • Deutschlandfunk Forschung Aktuell (11.07.2019)
  • NationalGeographic.de (11.07.2019)
  • Neue Zürcher Zeitung Online (11.07.2019)
  • Standard Online (11.07.2019)
  • Berliner Zeitung Online (12.07.2019)
  • Business Insider Deutschland Online (12.07.2019)
  • dpa: Berliner Morgenpost (12.07.2019), Bonner General-Anzeiger (12.07.2019),
  • Hamburger Abendblatt (12.07.2019)
  • Hamburger Morgenpost Online (12.07.2019)
  • Heise online (12.07.2019
  • RTL.de (12.07.2019)
  • Spiegel Online (12.07.2019)
  • Welt Online (12.07.2019)
  • Redaktionsnetzwerk Deutschland: Hannoversche Allgemeine Zeitung (13.07.2019)
  • Focus Online (15.07.2019)
  • Tagesspiegel Online (15.07.2019)

Neue Messungen ergeben: Istanbul könnte ein schweres Erdbeben bevorstehen (Nature Communications)

Die Nordanatolische Verwerfung unter dem Marmarameer bei Istanbul ist blockiert. Wenn sich die tektonische Spannung lösen würde, könnten die Erdplatten sich abrupt um 4 Meter verschieben. Ein Beben der Stärke 7,1 bis 7,4 in Istanbul wäre die Folge. Zu diesem Befund sind Wissenschaftler*innen des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel gelangt. Mittels eines neuen akustischen Messsystems sind sie erstmals in der Lage gewesen, die Bewegungen des Untergrundes des Marmarameeres zu messen. Nach zweieinhalb Jahren Arbeit und 650 000 Abstandsmessungen haben sie ihr Ergebnis nun am 08.07.2019 im Fachblatt Nature Communications veröffentlicht. Bisher hatte man das Erdbebenrisiko nur indirekt bestimmten können.

Mindestens acht Mal ist von deutschsprachigen Medien unabhängig voneinander über die Studie berichtet worden. Kongruent ist erläutert worden, dass die Studie Vermutungen über eine hohe Erdbebengefahr bestätige und sie dazu dienen könne, die Region besser darauf vorzubereiten. Dabei sind keine unbeteiligten Expert*innen zitiert worden. Der Deutschlandfunk hat für Forschung Aktuell ein Interview mit einer Studienautorin geführt.

Steckbrief

Journal: Nature Communications

Pressemitteilungen: Ja (vom Forschungsinstitut)

Aufgegriffen von:

Standard Online (08.07.2019)

  • dpa: Süddeutsche Zeitung Online (09.07.2019), Tagesspiegel Online (09.07.2019),
  • t-online.de (09.07.2019), Berliner Zeitung (10.07.2019), Bonner General-Anzeiger
  • (10.07.2019), Hamburger Abendblatt (10.07.2019), Passauer Neue Presse
  • (10.07.2019), Spiegel Online (10.07.2019), Stern Online (10.07.2019), Welt Online
  • (10.07.2019), Sächsische Zeitung Dresden (12.07.2019)
  • Deutschlandfunk Forschung Aktuell (09.07.2019)
  • Deutschlandfunk Nova (09.07.2019)
  • Neue Zürcher Zeitung Online (09.07.2019)
  • scinexx.de (09.07.2019)
  • Prosieben (Video) (17.07.2019)
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung Online (26.07.2019)

Die Vorhersage der Auswahlvon Themen seitens der Journalisten gleicht dem täglichen Blick in die Glaskugel. Haben Journalisten das entsprechende Fachjournal auf dem Schirm? Werden sie das Thema aufgreifen und berichten? Wenn ja: mit welchem Dreh? Wenn nein:  Kann es sein, dass wichtige entscheidungsrelevante Forschungsergebnisse, über die berichtet werden sollte, übersehen werden? Im Science Media Newsreel dokumentiert das Team des SMC einmal pro Woche rückblickend die kongruenten Wissenschaftsthemen, die aus namentlich genannten Fachzeitschriften in Presseerzeugnissen und Internetangeboten aufgegriffen wurden. Erwähnt werden nur solche Themen, die bei unserem zugegeben unvollständigen Monitoring in mehr als fünf unterschiedlichen Redaktionen mit textlich nicht identischen Berichten aufgegriffen wurden.

* Protokoll: Hendrik Boldt