Wie schnell erwärmen sich die Permafrostböden? Wie kann die Menschheit weltweit gesund und nachhaltig ernährt werden? Science Media Newsreel No. 36 (14.01. bis 20.01.2019)
Veröffentlicht am 11. Februar 2019 von Redaktion Hinterlasse einen KommentarEin Wochenrückblick des Science Media Center, über welche Forschungsergebnisse viele Wissenschaftsjournalisten zeitnah berichten. Doch zunächst eine kurze Vorbemerkung: Das Newsreel hat zuletzt einige Wochen pausiert – weil vom 24.12.2018 bis 13.01.2019 über keine Wissenschaftspublikation so oft berichtet wurde, dass es unsere Kriterien für das Newsreel erfüllt hätte. Mehr dazu, wann wir einen Fachartikel und die entsprechende mediale Berichterstattung hier besprechen, finden Sie in der Fußnote unten.
Permafrostböden erwärmen sich weltweit (Nature Communications)
Im globalen Durchschnitt haben sich die Permafrostböden zwischen 2007 und 2016 um ungefähr 0,30 Grad Celsius erwärmt. Sogenannte kontinuierliche Permafrostböden in der arktischen Zone haben sich im Schnitt um 0,39 ± 0,15 Grad Celsius erwärmt. Die dortigen Böden haben sich parallel zur Luft erwärmt. Zudem erwärmt sich diese wegen der polaren Verstärkung schneller als andere Regionen. Die Erwärmung der sogenannten diskontinuierlichen Permafrostböden ist dagegen mit 0,20 ± 0,10 Grad Celsius geringer ausgefallen. Außerdem ist sie durch verstärkten Schneefall und nicht durch die Erwärmung der Luft verursacht worden. Dies alles hat die erstmalige weltweit vergleichbare Bestandsaufnahme der Temperaturveränderungen in Permafrostböden durch Wissenschaftler*innen des Alfred-Wegener-Instituts in Potsdam ergeben. Ihre Ergebnisse haben sie am 16.01.2019 im Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht. Sie hatten Daten aus 154 Bohrlöchern in der Arktis, in der Antarktis sowie in den Gebirgen Europas und Zentralasiens ausgewertet. Den Wissenschaftler*innen zufolge ist ihre Forschung besonders deshalb wichtig, weil durch erwärmte Permafrostböden freiwerdende Treibhausgase bisher nicht genug in Klimamodellen berücksichtigt würden.
Mindestens sieben Mal haben deutschsprachige Medien unabhängig voneinander über die Studie berichtet. Dabei sind keinerlei unbeteiligte Expert*innen zitiert worden. Oft ist näher auf die möglichen Auswirkungen von tauenden Permafrostböden eingegangen worden. Zum Beispiel auf den verstärkten Klimawandel durch die Zersetzung momentan gefrorener organischer Stoffe und die Instabilität von Infrastruktur, die auf den Böden errichtet worden ist.
Steckbrief
Journal: Nature Communications
Pressemitteilungen: Ja (von einem Forschungsinstitut, von einem Forschungsinstitut)
Aufgegriffen von:
- AFP (16.01.2019): ntv.de (16.01.2019), Die Presse (16.01.2019), Welt Online (16.01.2019), Frankfurter Rundschau (17.01.2019), Zeit Online (17.01.2019)
- BR.de (16.01.2019)
- Spiegel Online (16.01.2019)
- Standard Online (17.01.2019)
- Heise Online (18.01.2019)
- ZDF.de (20.01.2019)
- taz Online (21.01.2019)
Gesunde Ernährung und Nachhaltigkeit gehen Hand in Hand (The Lancet)
Ungefähr 11 Millionen vorzeitige Todesfälle pro Jahr könnten 2030 vermieden werden, wenn die Menschheit ihre jetzige Ernährung radikal verändert – hin zu einer gesunden Ernährung mit viel Gemüse, Früchten sowie Nüssen und wenig Fleisch. Dadurch könnten zudem 2050 alle 10 Milliarden Menschen ökologisch nachhaltig ernährt werden. Zumindest, wenn die Agrarproduktion parallel zur Ernährungsumstellung in vielen Punkten nachhaltiger würde. Dies schreibt eine Kommission von internationalen Wissenschaftler*innen unter Beteiligung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung in einem Bericht, der am 16.01.2019 in der Fachzeitschrift The Lancet veröffentlicht worden ist. Für die Umsetzung der beschriebenen Reformen müsste in einigen Weltregionen insbesondere der Fleischkonsum drastisch reduziert werden, weltweit um mehr als 50 Prozent. Außerdem müsste die Umwandlung weiterer Naturräume in Agrarflächen verhindert werden, die Nutzung von Wasser und Stickstoff- sowie Phosphordüngern effizienter werden. Auch müssten mehr Maßnahmen zur Erhöhung der Artenvielfalt durchgesetzt und die Landwirtschaft CO2-neutral werden. Sollte die Menschheit die zahlreichen vorgeschlagenen Maßnahmen umsetzen, wäre es laut den Forscher*innen möglich, eine bezüglich Klimawandel, Dünger-, Wasser-, Landnutzung und Artenvielfalt nachhaltige und gesunde Ernährung für die gesamte Menschheit zu gewährleisten.
Mindestens elf Mal ist von deutschsprachigen Medien unabhängig voneinander über die Veröffentlichung geschrieben worden. Besonders die Vorschläge zur Veränderung der Ernährungsgewohnheiten sind im Fokus der Berichterstattung gestanden. Auf andere Themen wie zum Beispiel die weltweite Verteilung des Düngereinsatzes ist kaum eingegangen worden. Einzig in der dpa-Meldung ist eine unbeteiligte Expertin des Kieler Instituts für Weltwirtschaft zitiert worden. Diese gibt sich bezüglich der Umsetzung der Ernährungsreformen skeptisch, da Ernährung ein emotionales Thema sei.
Steckbrief
Journal: The Lancet
Pressemitteilungen: Ja (von der Fachzeitschrift)
Aufgegriffen von:
- Neue Zürcher Zeitung Online (16.01.2019)
- science.ORF.at (17.01.2019)
- Welt Online (17.01.2019)
- Zeit Online (17.01.2019)
- dpa: Tagesspiegel (18.01.2019), RedaktionsNetzwerk Deutschland: Göttinger Tageblatt (20.01.2019)
- Focus (18.01.2018)
- Deutschlandfunk (19.01.2019)
- Spiegel Online (19.01.2019)
- Standard Online (19.01.2019)
- Die Presse (22.01.2019)
- Tages-Anzeiger (22.01.2019)
*Protokoll: Hendrik Boldt
1 Die Vorhersage der Auswahl von Themen seitens der Journalisten gleicht dem täglichen Blick in die Glaskugel. Haben Journalisten das entsprechende Fachjournal auf dem Schirm? Werden sie das Thema aufgreifen und berichten? Wenn ja: mit welchem Dreh? Wenn nein: Kann es sein, dass wichtige entscheidungsrelevante Forschungsergebnisse, über die berichtet werden sollte, übersehen werden? Im Science Media Newsreel dokumentiert das Team des SMC einmal pro Woche rückblickend die kongruenten Wissenschaftsthemen, die aus namentlich genannten Fachzeitschriften in Presseerzeugnissen und Internetangeboten aufgegriffen wurden. Erwähnt werden nur solche Themen, die bei unserem zugegeben unvollständigen Monitoring in mehr als fünf unterschiedlichen Redaktionen mit textlich nicht identischen Berichten aufgegriffen wurden.