Was ist passiert?
„AI made in Germany“ soll ein international anerkanntes Gütesiegel werden. Das ist ein Ziel der Strategie Künstliche Intelligenzder Bundesregierung. Die Eckpunkte dafür hat sie am Mittwoch den 18. Juli in einem zwölfseitigen Papier veröffentlicht. Weitere Ziele sind demnach, deutsche KI-Forschung und Entwicklung auf ein weltweit führendes Niveau zu bringen, Deutschland zu einem interessanten Standort für KI-Forscher zu machen und bei alldem auf eine ethische, menschenzentrierte und auf den Nutzen für Bürger und Wohl der Gesellschaft und Umwelt bedachte KI zu setzen.
Die Strategie, die auf den Eckpunkten aufbaut, soll am 3. und 4. Dezember auf dem Digitalgipfel in Nürnberg vorgestellt werden.
Die Details
Um diese Ziele zu erreichen, setzt die Regierung auf Forschungs- und Transferförderung. So sollen neue Kompetenzzentren für Machine Learning und KI gegründet und zum Aufbau eines nationalen Forschungskonsortiums mit bereits bestehenden verknüpft werden. Innovationswettbewerbe, Neugründungen sowie zwei Agenturen für „Sprunginnovationen“ sollen Wissenschaft und Wirtschaft verzahnen, ebenso die Förderung von Zugangsmöglichkeiten zu großen Datensammlungen und KI-Technologien auch für kleine Unternehmen sowie der Aufbau von Laboren und Testfeldern der Wirtschaft.
Eine europäische Kooperation soll entstehen, um mit der Konkurrenz aus China oder den USA mithalten zu können. Als erster Schritt ist ein deutsch-französisches Forschungs- und Innovationsnetzwerk geplant.
Die Regierung will auch dafür sorgen, dass öffentliche und wissenschaftliche Daten leichter der KI-Forschung zugänglich gemacht werden. Dafür soll es ebenfalls eine europäische Kooperation sowie Datenaustausch zwischen dem Staat und Privatfirmen geben, ohne die Privatsphäre der Nutzer zu verletzen. Dabei sollen eventuell auch Anpassungen des Rechtsrahmens für Datennutzung und Urheberrecht vorgenommen werden.
In Bezug auf KI in der Arbeitswelt soll zunächst die Auswirkung von KI auf das Arbeitswesen abgeschätzt werden, dann eine Fachkräfte- und Weiterbildungsstrategie entworfen werden. Dabei betont die Bundesregierung, ethische Grundlagen wie „Transparenz, Überprüfbarkeit von Datenverarbeitung, Daten- und Grundrechtsschutz und Diskriminierungsfreiheit“ bedenken zu wollen.
Durch all diese Maßnahmen, sowie neue Lehrstühle, bessere Arbeitsbedingungen und die Förderung von Aus- und Weiterbildungsverfahren im Bereich KI soll Deutschland zu einem attraktiven Standort für KI-Forscher gemacht und der Brain-Drain verhindert werden.
Zuletzt führt das Papier noch an, dass im Bereich KI für eine gemeinsame Normierung und Standardisierung, sowie offene und internationale Standards eingetreten werden soll.
Unklar bleibt, wie viel Geld konkret in Förderungen und Projekte investiert werden soll, was aus Sicht der Bundesregierung genau unter die Definition von KI fällt und wie sich die Regierung zu militärischer KI-Forschung positioniert. Allgemein wird oft auf andere Initiativen verwiesen und es werden nur wenige konkrete Maßnahmen vorgestellt.
Warum ist es wichtig?
Experten erwarten eine massive Veränderung von Wirtschaft und Gesellschaft durch KI. Produktion, Mobilität, Energieversorgung, Arbeit, Überwachung, Sicherheit und Gesundheit können sich durch den Einsatz von KI zur Steuerung, Planung und Überwachung grundlegend verändern. Die Frage wird dann sein, wer den Ton angibt. Diese Veränderung hat das Potential – und hat auch bereits begonnen – die Machtverhältnisse in der Welt von Staaten hin zu einigen wenigen Unternehmen zu verschieben.
Derzeit ist klar, dass vor allem die USA und China in Bezug auf KI-Forschung einen großen Vorsprung haben. Auch England und Frankreich haben bereits Pläne und Strategien zu ihrer Herangehensweise an KI vorgestellt. Deutschland will jetzt nachziehen und kann dabei die Lehren aus den anderen KI-Strategien ziehen wie beispielsweise auf eine europaweite Kooperation eingehen.
Die Eckpunkte enthalten bereits einige wichtige Punkte: etwa das Gewicht auf eine europäische Zusammenarbeit, insbesondere mit Frankreich. Nur in einem Europäischen Rahmen können Unternehmen entstehen, die Google, Facebook oder Alibaba Paroli bieten können – wenn es das Ziel sein soll, Deutschland und Europa zum führenden Standort für KI werden zu lassen. Derzeit hat kein in der KI-Forschung und Anwendung führendes Unternehmen in Deutschland seinen Sitz.
Jedoch weisen Experten in einer Reaktion auf die Eckpunkte für das SMC auch darauf hin, dass die Bundesregierung sich des Themas sehr spät und dann hastig angenommen hat. Die Auflistung der vielen Ziele und guten Absichten erweckte durchaus den Eindruck eines „Weihnachtswunschzettels“, einige Ziele machen nicht den Eindruck, aufeinander abgestimmt oder überhaupt miteinander vereinbar zu sein. Dazu kommt, dass die Eckpunkte, gerade was die Ausrichtung der KI-Strategie auf Ethik angeht, doch vage bleiben, und kaum eine fassbare Antwort zum Beispiel auf den zu erwartenden Arbeitsplatzverlust bieten.
Besonders auffällig ist jedoch, dass offenbleibt, wie Deutschland beziehungsweise Europa auf den bereits vorhandenen Vorsprung der chinesischen und US-amerikanischen Unternehmen reagieren soll. Eine Analyse dieses Vorsprungs, aus der folgen könnte, wie und wo ein Engagement von Staat, Forschung und Wirtschaft erfolgversprechend ist, fehlt. Es fehlt auch ein Hinweis darauf, diese Analyse vornehmen zu wollen. Die französische Strategie hat aufgrund einer solchen Analyse vier Bereiche festgelegt, auf die sich die Strategie konzentrieren soll: Mobilität, Umweltschutz, Gesundheit und Sicherheit. Vergleichbare Schwerpunkte fehlen den Eckpunkten, es entsteht der Eindruck, die Bundesregierung ginge davon aus, diesen Bereich links liegen lassen zu können und für die Produktion und Logistik, aber auch für die innere Sicherheit, ein vollkommen neues Feld für KI-Forschung und Anwendungen eröffnen zu können.
In den kommenden Monaten sollen die Eckpunkte auf Expertenworkshops weiter diskutiert werden. Im Dezember soll dann die Strategie fertig sein, von der einige Forscher hoffen, sie werden in Deutschland eine Art Goldgräberstimmung entfachen und ein KI-Ökosystem entstehen lassen.
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Bastian Zimmermann