Ein Wochenrückblick des Science Media Center, über welche Forschungsergebnisse viele Wissenschaftsjournalisten zeitnah berichten*1:

Kaffeekonsum ist assoziiert mit längerer Lebenserwartung (JAMA Internal Medicine)

Kaffeetrinken verlängert die Lebenserwartung – und das laut einer neuen Studie sogar bei acht oder mehr Tassen am Tag. Solche Vieltrinker hatten ein um 14 Prozent geringeres Sterberisiko als jene, die für gewöhnlich gar keinen Kaffee trinken. Die Studie von Wissenschaftlern des National Cancer Institute in Maryland ist am 02.07.2018 im Fachblatt JAMA Internal Medicine veröffentlicht worden. Besonders interessant: Egal, ob der Stoffwechsel das Koffein schnell oder langsam abbaut, und egal, ob man löslichen oder Bohnenkaffee mit oder ohne Koffein trinkt: Kaffeekonsum ist assoziiert mit einer höheren Lebenserwartung. Für die Studie haben die Wissenschaftler Daten von circa 500 000 Briten aus der UK Biobank benutzt und die Probanden von 2006 bis 2016 beobachtet. Da es sich um eine Beobachtungsstudie handelt, warnen die Wissenschaftler jedoch, dass eine Ursache-Wirkung-Beziehung nicht eindeutig zu belegen ist. Es könnte also beispielsweise sein, dass besonders jene Menschen Kaffee trinken, die auch sonst – aus einem unbekannten Grund – gesünder sind. Dann wäre die bessere Gesundheit der Kaffeetrinkenden nicht auf ihren Kaffeekonsum zurückzuführen. Dennoch liefert die Studie aus Sicht der Wissenschaftler weitere Argumente für die positive Wirkung von Kaffee.

Mindestens sieben deutschsprachigen Medien haben über die Studie berichtet. Dabei ist nirgends ein unbeteiligter Experte zu Wort gekommen. Grundsätzlich sind die Ergebnisse als weiterer Beleg für die gesundheitsfördernde Wirkung von Kaffee dargestellt worden; die neue Studie passe zu anderen, früheren, Studien. In einem Punkt haben sich die Medienartikel jedoch leicht unterschieden: darin, als wie sicher sie die Studienergebnisse zu deuten sind. Dass die Beobachtungsstudie nur belegt, dass Kaffee mit besserer Gesundheit assoziiert ist, ihn aber nicht sicher als Ursache für die Gesundheit festmachen kann: Der Bayerische Rundfunk zum Beispiel hat das nicht explizit erwähnt; hingegen haben Spektrum.de und das Ärzteblatt Online ausdrücklich auf diese Tatsache hingewiesen.

Steckbrief

Journal: JAMA Internal Medicine

Pressemitteilungen: Ja (vom Journal)

Aufgegriffen von:

  • Spektrum.de (03.07.2018)
  • Süddeutsche Zeitung (03.07.2018), Süddeutsche Zeitung online (04.07.2018)
  • aerzteblatt.de (04.07.2018)
  • Focus Online (04.07.2018)
  • br.de (05.07.2018)
  • Tagblatt.ch (08.07.2018)
  • huffingtonpost.de (11.07.2018)

 

Risiko, innerhalb des nächsten Lebensjahres zu sterben, erhöht sich bis ins hohe Alter – ab 105 bleibt es wohl konstant (Science)

Ab einem Alter von 105 Jahren beträgt die Wahrscheinlichkeit, innerhalb des nächsten Jahres zu sterben, circa 50 Prozent und steigt nicht weiter an. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die am 29.06.2018 im Fachblatt Science veröffentlicht worden ist. Um herauszufinden, ob das Sterberisiko im Alter immer weiter ansteigt oder irgendwann ein fixes Level erreicht, hatten Wissenschaftler der Universität La Sapienza in Rom die Daten von 2836 Italienern ausgewertet. Sie alle hatten im untersuchten Zeitraum von 2009 bis 2015 mindestens das Alter von 105 Jahren erreicht. Im Gegensatz zu anderen Studien zum Sterberisiko im Alter sind die Daten aus Sicht der Wissenschaftler dieses Mal besonders gut gewesen. Deshalb seien die jetzigen Ergebnisse die besten momentan vorhandenen Belege für ein konstantes Level des Sterberisikos im hohen Alter.

In mindestens sechs deutschsprachigen Medien ist über die Studienergebnisse berichtet worden. Auch hat es eine dpa-Meldung zur Studie gegeben. Dabei sind in der Süddeutschen Zeitung nicht nur die Studienautoren zitiert worden, sondern auch unbeteiligte Experten des Albert Einstein College of Medicine in New York City und der University of Illinois, die in einem am 05.07.2018 im Fachblatt Nature veröffentlichten News-Artikel zu Wort kommen, der die Studienerkenntnisse aus Science kritisch hinterfragt. In der dpa-Meldung ist außerdem noch ein weiterer Experte des französischen Institut National de la Santé et de la Recherche Médicale in Montpellier ebenfalls aus dem Nature-Artikel zitiert worden. Die dpa-Meldung und der Artikel in der Süddeutschen Zeitung haben ähnlich wie der Nature-Artikel versucht, auch mögliche Schwachpunkte der Studie herauszuarbeiten. Besonders ist dabei hervorgehoben worden, dass die Anzahl der Studienteilnehmer im hohen Alter zu klein gewesen sei, um sichere Schlüsse zu ziehen. Zudem ist dargelegt worden, dass es nach Ansicht einiger Wissenschaftler biologische Gründe für ein weiter steigendes Sterberisiko im hohen Alter gäbe. In den anderen Artikeln sind nur die Sichtweisen der Studienautoren wiedergegeben worden.

 

Steckbrief

Journal: Science

Pressemitteilungen: Ja (vom Journal, von der Forschungseinrichtung)

Aufgegriffen von:

  • Bild.de (29.06.2018)
  • Deutschlandfunk (29.06.2018)
  • Tagesspiegel (29.06.2018)
  • dpa – übernommen von: Spiegel Online (30.06.2018), Welt Online (01.07.2018)
  • aerzteblatt.de (02.07.2018)
  • Süddeutsche Zeitung (06.07.2018)

 

Künstliche Befruchtung könnte beinahe ausgestorbene Nashorn-Art retten (Nature Communications)

Das Nördliche Breitmaul-Nashorn ist „funktionell ausgestorben“: Weil nur noch zwei Weibchen leben, kann es sich nicht mehr natürlich fortpflanzen. Doch haben Wissenschaftler des Leibniz Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin nun vielleicht eine letzte Möglichkeit für das Überleben der Art entwickelt. Ihre Forschungen, die am 04.07.2018 im Fachblatt Nature Communications veröffentlicht worden sind, könnten es ermöglichen, mit Hilfe künstlicher Befruchtung Nachkommen zu zeugen. Den Wissenschaftlern war es gelungen, mit Spermien verstorbener Nördlichen Breitmaul-Nashörner und Eizellen Südlicher Breitmaul-Nashörner im Labor hybride Blastozysten herzustellen, also sehr frühe Stadien von Embryonen. Würde man diese in die Gebärmutter von weiblichen Südliche Breitmaul-Nashörner übertragen, könnten diese erfolgreich schwanger werden, vermuten die Wissenschaftler. Als nächstes wollen sie nun den verbliebenen weiblichen Nördlichen Breitmaul-Nashörnern Eizellen entnehmen. Zusammen mit den Samenzellen der verstorbenen Männchen ließen sich dann Blastozysten herstellen, die ausschließlich das Erbgut der Nördlichen Breitmaul-Nashörner enthalten. Diese könnten dann – so der Plan – von Südlichen Breitmaul-Nashörnern in Leihmutterschaft ausgetragen werden. Ein Problem am Zuchtprogramm wäre allerdings, dass die genetische Vielfalt der Population sehr eingeschränkt wäre. Deshalb hoffen die Wissenschaftler, in Zukunft Eizellen und Spermien aus Stammzellen anderer schon verstorbener Nördlicher Breitmaul-Nashörner zu gewinnen.

Mindestens zwölf deutschsprachige Medien haben unabhängig voneinander über die Studie berichtet. Dabei sind als unabhängige Expertenstimmen meist nur Einschätzungen von Wissenschaftlern vom Center for Conservation and Research of Endangered Wildlife in Cincinnati zitiert worden, die einen Begleitkommentar in Science publiziert hatten. In der Neuen Zürcher Zeitung ist außerdem ein unbeteiligter Experte des Zoos Zürich zu Wort gekommen. Der Tenor der Berichterstattung ist übereinstimmend gewesen, die Forschung als Chance für das Überleben der Art zu sehen. Zugleich ist einhellig davor gewarnt worden, dass noch längst nicht sicher sei, ob die künstliche Befruchtung der Südlichen Breitmaul-Nashörner tatsächlich wie geplant lebensfähige Nördliche Breitmaul-Nashörner hervorbringen könne.

 

Steckbrief

Journal: Nature Communications

Pressemitteilungen: Ja (von der Forschungseinrichtung)

Aufgegriffen von:

  • Berliner Zeitung (04.07.2018)
  • BR.de (04.07.2018)
  • dpa – übernommen von: Augsburger Allgemeine (05.07.2018), Deutsche Welle (04.07.2018), Hannoversche Allgemeine Zeitung (04.07.2018), Stuttgarter Zeitung (04.07.2018), science.orf.at (05.07.2018)
  • MDR.de (04.07.2018)
  • Neue Zürcher Zeitung (04.07.2018)
  • ntv.de (04.07.2018)
  • Spiegel Online (04.07.2018)
  • Süddeutsche Zeitung Online (04.07.2018)
  • tagesschau.de (04.07.2018)
  • Tagesspiegel (04.07.2018)
  • Deutschlandfunk (05.07.2018)
  • WDR.de (05.07.2018)

Protokoll: Hendrik Boldt

 

*Die Vorhersage der Auswahl von Themen seitens der Journalisten gleicht dem täglichen Blick in die Glaskugel. Haben Journalisten das entsprechende Fachjournal auf dem Schirm? Werden sie das Thema aufgreifen und berichten? Wenn ja: mit welchem Dreh? Wenn nein: Kann es sein, dass wichtige entscheidungsrelevante Forschungsergebnisse, über die berichtet werden sollte, übersehen werden? Im Science Media Newsreel dokumentiert das Team des SMC einmal pro Woche rückblickend die kongruenten Wissenschaftsthemen, die aus namentlich genannten Fachzeitschriften in Presseerzeugnissen und Internetangeboten aufgegriffen wurden. Erwähnt werden nur solche Themen, die bei unserem zugegeben unvollständigen Monitoring in mehr als fünf unterschiedlichen Redaktionen mit textlich