Die neue Online-Plattform RiffReporter will einen Publikations- und Arbeitsraum für freie Journalisten bieten. Auf der Wissenswerte 2016 wird das Projekt erstmals öffentlich vorgestellt. Ein Interview mit zwei Gründern: Tanja Krämer und Christian Schwägerl. VON NIKOLAI PROMIES
Nach zwei Jahren Arbeit geht RiffReporter jetzt an die Öffentlichkeit. Wie ist die Gefühlslage, Erleichterung oder noch mehr Anspannung?
Tanja Krämer (lacht): Derzeit sind wir vor allem überarbeitet!
Christian Schwägerl: Es ist so eine Mischung aus Aufregung, Erleichterung, Nervosität und Überarbeitung. Das kommt alles zusammen, fühlt sich aber sehr lebendig an. Erleichtert sind wir vor allem, weil wir diese ganzen Grundsatzfragen, Rechtsfragen und so weiter langsam hinter uns lassen. Wir kommen wieder an das heran, wofür wir brennen; und das ist der Journalismus. Wobei wir jetzt zusätzlich auch noch für das Gründen brennen.
Sie schreiben in Ihrem ersten Autoren-Newsletter, dass RiffReporter kein weiteres neues Online-Magazin ist. Wie würden Sie es denn stattdessen beschreiben?
C.S.: Uns geht es nicht darum, eine Website zu machen, auf die möglichst viele Leute gelockt werden. Wir wollen einen gemeinsamen Arbeits- und Publikationsraum aufmachen, in dem sich freie Journalisten und ihre Projekte beheimaten und entwickeln können. Wir sind eher eine Konföderation oder Kooperative als ein Online-Magazin.
Aber eine gemeinsame Website als Anlaufpunkt soll es schon noch geben?
T.K.: Ja, es wird eine gemeinsame Website geben, denn irgendwo muss man sich im Netz auch verorten. Dort kann jeder Autor seine eigene Seite oder, um in der Riff-Metapher zu bleiben, seine eigene Koralle aufmachen. Kollegen, die auf bestimmte Themen oder Artikelformen spezialisiert sind, können sich so ihre eigene Nische in unserem Riff suchen und dort publizieren.
C.S.: Letztlich steht nach außen hin die einzelne Koralle im Zentrum. Wir wollen bei speziellen Interessen ansetzen, bei sehr relevanten Themen wie dem Klimawandel oder der Zukunft der Technologie. Jeder, der eine Koralle betreibt, versucht, die Leser selbst dorthin zu holen und bei bestimmten Interessen abzuholen.
Durch die verschiedenen Korallen, die für sich selbst stehen, kann sich in der Öffentlichkeit thematisch schwer eine Marke RiffReporter entwickeln. Soll eine solche Marke dann überhaupt eine Rolle spielen?
T.K.: Wir wollen eine Marke entwickeln für den gemeinsamen Auftritt von freien Kollegen. Dafür wollen wir einen Claim schaffen für Qualitätsjournalismus von freien Journalisten direkt für den Leser. Dafür bauen wir durch verschiedene Mechanismen eine Qualitätssicherung ein, mit der auch alle Beiträge für RiffReporter geprüft werden. In der aktuellen gesellschaftlichen Situation ist es sehr relevant, dass wir signalisieren, dass Fakten geprüft werden und dass verifizierte Informationen transportiert werden. Auch für die Journalisten, die für die Produkte, die sie bei uns veröffentlichen, selbst verantwortlich sind, ist es wichtig, dass es diese Qualitätssicherung gibt.
C.S.: Das Riff steht dafür, dass freie Journalisten komplementär zu ihrer Arbeit für Verlage ein eigenes Publikum aufbauen und direkt an den Markt gehen. Und wir wollen auch die Wichtigkeit von freiem Journalismus darstellen und konkret vermitteln, welches Wissen und welche Expertise bei freien Journalisten vorhanden ist.
Die Journalisten produzieren also die Inhalte selbst, arbeiten selbst unternehmerisch und tragen die Verantwortung für Erfolg oder Scheitern. Warum sollten sie dann auf Ihrer Plattform publizieren und dafür 15% ihres Umsatzes abgeben, wenn sie das vielleicht auch auf einer eigenen Seite machen könnten?
C.S.: Wir wollen mit der Plattform Möglichkeiten eröffnen, die der Einzelne bisher nicht hat. Darin stecken echte Werte. Der erste Wert ist Gemeinschaft. In einem lebendigen Gebilde, wie es das Riff sein soll, befindet man sich in thematischen Nachbarschaften und wird leichter gesehen. In einer Kooperation kann man eine höhere Publikationsfrequenz anbieten, die für die Leser interessant wird. Zweitens ist es oft technisch sehr anspruchsvoll, selbst beispielsweise Monetarisierungslösungen anzubieten. Unser Content Management System und unser sogenannter Polypublisher bieten Lösungen für Community Building, für Monetarisierung, für vieles, was man so braucht, um sich am Markt zu behaupten. Ein dritter Punkt sind die im Riff entstehenden Kooperationsmöglichkeiten. Wir haben bereits jetzt viele Kooperationspartner, vom Übersetzer über den Webdesigner bis zum Landkartenexperten. So bekommt man einen guten Zugang zu Expertise und kann sich viel mühsame Sucharbeit sparen. Zuletzt ist es auch so, dass die Umsatzbeteiligung immer zurück in die Infrastruktur fließt, um das Riff am Laufen zu halten und um neue Elemente zu erweitern. Das heißt, das Geld kommt direkt auch wieder den Autoren zugute.
T.K.: Aber die Frage ist sehr spannend und war auch ein Ansatzpunkt für uns, weswegen wir das Riff überhaupt geschaffen haben. Es gibt so viele Journalisten, die Experten für bestimmte Themen sind und die jenseits der Verlage tätig sein könnten, es aber einfach nicht tun. Wir haben uns gefragt, warum das so ist und die möglichen Hürden identifiziert, die Christian jetzt beschrieben hat. Wir bieten dann beispielsweise auch einen Mechanismus, der die Aufteilung der Einnahmen in Projektgruppen erleichtert. Das Geld, dass die Leser für die Artikel bezahlen, wird über RiffReporter eingesammelt und dann nach einem Schlüssel, den sich jeder Autor aussuchen kann, automatisch ausgeschüttet. Das heißt, die Autoren müssen sich nicht jedes Mal wieder, wenn neue Einnahmen reinkommen, überlegen, wie nochmal die Kontoverbindung des Fotografen oder des Lektoren war und organisieren, dass der seinen Anteil bekommt.
Geld ist ein gutes Stichwort. Wie soll die Plattform eigentlich Geld verdienen, wie sollen die Einnahmen reinkommen?
C.S.: Wir gehen davon aus, dass der Bedarf nach verlässlichen und interessanten Informationen eher zu- als abnimmt. Viele wichtige Themen, die die Menschen interessieren, sind in den meisten Medien aber nicht ausreichend abgedeckt. Wenn es Journalisten da schaffen, eine ausreichend große Zielgruppe zu identifizieren und ein gutes Angebot zu machen, sind wir optimistisch, dass es auch ein Bezahlinteresse gibt. Zudem können die Autoren später aus einer Reihe von Bezahloptionen wählen und es so für den Leser so leicht wie möglich machen, zu bezahlen.
T.K.: Konkret starten wir in unserer Alpha-Version mit Micro-Payment, sodass die Autoren ihren einzelnen Artikeln ein Preisschild geben können Wir wissen natürlich auch, dass das Bezahlinteresse in Deutschland noch nicht sehr ausgeprägt ist. Aber es gibt Studien, die belegen, dass es langsam steigt. Alle Verlage experimentieren mit Bezahlsystemen und wir glauben, dass es jetzt ein guter Zeitpunkt ist, da als Kooperative von Freien mitzumachen. Wir kommunizieren aber auch ganz deutlich, dass wir nicht glauben, dass man da gleich tausende von Euros mit seinen Artikeln verdienen wird. Wir werden jetzt alle erstmal daran arbeiten, uns einen Arbeitsplatz und eine eigene Leserschaft aufzubauen.
Sie sprechen viel von Kooperation. Aber die einzelnen Korallen stehen ja auch in einem starken Konkurrenzverhältnis. Besteht nicht die Gefahr, dass sich die Korallen gegenseitig die Leser streitig machen?
T.K.: Bei den Korallen ist es so, dass es starke Belohnungen für Kooperationen gibt. Wir glauben aber auch, dass sich Kooperation und Konkurrenz nicht gegenseitig ausschließen. Man kann kooperieren, auch wenn man um Geld konkurriert. Als freie Journalisten kommen wir nur voran, wenn wir gemeinschaftlich agieren. Deswegen sind wir momentan dabei, RiffReporter als Genossenschaft aufzusetzen. Als Zeichen dafür, dass es ein Gemeinschaftsprojekt ist, nicht von freien Journalisten für freie Journalisten, sondern mit ihnen. Wir verstehen uns nicht als Start-Up, sondern als Social Business.
Sie sind beide Wissenschaftsjournalisten, die Themen, die Sie bisher erwähnt haben, sind Wissenschaftsthemen. Soll RiffReporter auf Wissenschaftsjournalismus beschränkt sein?
T.K.: Wir haben viel darüber diskutiert. Die Gründer kommen alle aus dem Wissenschaftsjournalismus, da kennen wir uns aus und kennen die Autorencommunity. Wir haben auch das Gefühl, dass Wissenschaftsjournalismus als Themengebiet sehr gut geeignet ist für die Idee, Communities zu speziellen Themengebieten aufzubauen. Deswegen fangen wir erstmal damit an. Wenn das dann gut funktioniert, können wir uns auch vorstellen, das Stück für Stück zu erweitern.
C.S.: Die Themen, die wir abdecken, sind Wissenschaft und Gesellschaft, Umwelt und Technologie. Dabei sind für uns vor allem die Wissenschaftsfragen in vielen Gesellschaftsfragen wichtig. Es geht aber auch um eine Haltung, die Wissenschaftsjournalisten haben, diese Recherchetiefe, die Faktenorientierung, die Sachlichkeit und das Interesse am Sachthema. Damit können Wissenschaftsjournalisten auch dazu beitragen, die Rolle unserer Branche in der Gesellschaft einen Tick zu verbessern.
Können Sie denn schon ein paar Beispiele nennen, welche Projekte jetzt in der Anfangszeit zu sehen sein werden?
C.S.: Der Alpha-Launch ist ja eine Demo-Version und da ist es uns wichtig, zu demonstrieren, welche Formate möglich sind. Man kann im Textbereich, mit Fotos, mit Video oder Audio arbeiten. In der Anfangszeit wird es eine Koralle geben zum Thema Welternährung, es wird ein Projekt über Lobbyismus im Pharma- und Ernährungsbereich, eine Art Wissenschafts-Digest zu Neuentwicklungen in Wissenschaft und Technik und eine Koralle zu Naturschutz und Vogelbeobachtung geben. Es ist schon einiges am Start, aber das soll erstmal nur das Potenzial demonstrieren.
Was sind Ihre Hoffnungen für die nächsten Jahre?
C.S.: Wir bleiben bescheiden und wollen keine großen Versprechungen machen. Wir reden hier auch über ein sehr sensibles Thema. Viele freie Journalisten haben wirklich Probleme, ihren Lebensunterhalt durch Journalismus zu verdienen. Deswegen ist es uns ganz wichtig, keine überzogenen Hoffnungen zu wecken. Wir wollen eine nachhaltig wachsende Gemeinschaft gründen und dabei realistisch bleiben, damit keiner glaubt, dass er jetzt im Riff sofort reich werden kann. Wir haben nicht den Anspruch, dass das die journalistische Weltformel ist. Wir wollen klein anfangen und das dann sukzessive ausbauen und schauen, ob das funktioniert.
T.K.: Das Feedback, das wir bisher von Kollegen bekommen haben, war total positiv, viele unterstützen uns, obwohl sie noch gar nichts gesehen haben, weil es noch nichts gab. Sie waren aber total begeistert von der Idee. Unsere Hoffnung ist jetzt, dass wir dieser Begeisterung ein wenig gerecht werden können, dass diese tolle Idee auch funktioniert. Uns würde freuen, wenn RiffReporter von Autoren als eine kreative Spielwiese wahrgenommen wird, die es in vielen Bereichen einfach nicht mehr gibt. Uns ist aber auch völlig klar, dass wir scheitern können, wir sind ja nicht größenwahnsinnig.
C.S.: So als kühne Idee: Wenn wir mit RiffReporter einen kleinen Schritt oder ein paar Schritte machen könnten in Richtung der Lebendigkeit, der Kooperation und der Kreativität, die es wirklich in Korallenriffs gibt, wäre das schon toll.
Die Plattform ist unter folgender Adresse zu erreichen: www.riff-development.de
Nikolai Promies ist Absolvent des Studienganges Wissenschaft – Medien – Kommunikation am KIT in Karlsruhe.