Mit großen Erwartungen war das Onlinemagazin Substanz Ende 2014 gestartet. Ein knappes halbes Jahr später mussten die beiden Gründer allerdings innehalten und einsehen, dass es so nicht weitergeht. Nun nimmt Substanz einen zweiten – und letzten – Anlauf. VON ALEXANDER MÄDER
Wenn es um die Zukunft des Journalismus geht, können die Diskussionen einen wehleidigen Ton annehmen. Aber bei Denis Dilba und Georg Dahm ist das anders. In einem Werkstattgespräch mit ihnen heißt es: „Mehr lachen, weniger heulen!“ Oder: „Gründen macht Spaß.“ Und dass, obwohl die beiden Gründer von Fail Better Media ihr ehrgeiziges Projekt schon nach einem guten halben Jahr und kurz vor der Insolvenz auf Eis legen mussten: Das multimediale Wissenschaftsmagazin „Substanz“ ruht seit Juli. „Wir haben auf dicke Hose gemacht“, sagt Denis Dilba selbstkritisch. „Dafür fehlt uns jetzt die Asche.“ Im meta-Magazin hatte er mit seinem Kollegen Georg Dahm vor einem Jahr erklärt, dass ihre Ersparnisse in dem Projekt stecken. Auf der Wissenswerte in Bremen haben sie nun erläutert, wie es trotz allem weitergehen soll: mit dem Substanzmagazin 2.0.
Der neue Ansatz folgt aus der Analyse des Scheiterns. Warum blieb man unter 1000 Abos, obwohl viel mehr nötig gewesen wären? Da gab es die lange Anlaufphase von 15 Monaten, in der viel Geld und vielleicht auch ein wenig Schwung verloren gingen. Und es mangelte am Marketing; die ganze Energie und die ganze Zeit gingen in die Produktion der Beiträge. Nach dem Freischalten noch ein Post auf Facebook und einer auf Twitter – und dann ab ins Bett, die Nachtschichten nachschlafen. Der wichtige Punkt sei aber ein anderer gewesen, heißt es: „Wir wollten unseren Beitrag leisten, den Qualitätsjournalismus zu retten“, sagt Dilba. „Davon waren wir beseelt.“ Doch dann kam der Realitätscheck: „Das Publikum interessiert sich nicht für deine Mission.“
Geburtshelfer für neue Ideen
Im zweiten Anlauf wollen Dilba und Dahm das Herantasten ans Publikum, dessen Interessen sie bisher vernachlässigt haben, zur Tugend erheben: Sie präsentieren sich als Plattform für journalistische Experimente. Wer als Praktikant, Volontär, Student, Medienforscher oder gar als gestandener Journalist etwas ausprobieren möchte, ist willkommen. Wenn über Stiftungen und Hochschulen die Grundfinanzierung einmal gesichert sein sollte, bieten sich Dilba und Dahm mit ihren Erfahrungen und ihrer Technik als Geburtshelfer für neue Ideen an. Formate, die zum Beispiel stärker auf das Publikum reagieren oder die ein Thema über lange Zeit verfolgen – das Magazin „Substanz“ soll nicht nur ihren Erfolg messen, sondern auch genaue Daten über das Publikum liefern. (Beim ersten Anlauf von „Substanz“ war zum Beispiel die Mehrheit der Leser unter 35 Jahre. Eine genauere Auswertung aus der Medienforschung folgt noch.)
Wie offen man sein muss für die Interessen der Leser, erläutert Georg Dahm am Beispiel einer Diskussion mit Studenten. Die hätten „Substanz“ mit all seinen Features für gut befunden und am Ende doch gesagt: „Schön wäre es, das Magazin gedruckt zu bekommen. Wir hängen schon den ganzen Tag am Bildschirm.“ Als Geschäftsführer eines entschiedenen Onlinemagazins muss man da wohl schlucken. Und nicht nur das Experimentieren wollen Dilba und Dahm zur neuen Tugend erheben, auch das bisher fehlende Marketing nutzen sie nun zu ihrem Vorteil: Weil kaum jemand aus der Zielgruppe „Substanz“ kannte, sei die Marke immerhin nicht verbrannt.
Übrigens: „Substanz“ hat derzeit noch 50 Abonnenten. Dilba und Dahm zahlen aus diesen Einnahmen Servergebühren und Telefonrechnungen. Ihr Gehalt verdienen sie derzeit mit anderen Projekten: mit eigenen Artikeln und dem einen oder anderen Auftrag im Corporate Publishing. „Aber das“, sagt Dahm, „ist für uns Priorität Zwei.“
Der Autor Alexander Mäder ist Wissenschaftsredakteur bei der Stuttgarter Zeitung.
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