Der WDR muss sparen und hat auch die Wissenschaft im Visier. 90 Freie aus Fernsehen und Hörfunk fürchten um ihre Existenz. In offenen Briefen an den Intendanten, Tom Buhrow, und den Rundfunkrat machen sie ihrem Ärger Luft. VON MARKUS LEHMKUHL

 

Bildbearbeitung: Katja Lösche

Bildbearbeitung: Katja Lösche

In der Programmgruppe Wissenschaft des WDR brodelt es. Nach Angaben von etwa 90 namentlich nicht genannten freien Mitarbeitern des Senders, steht nun auch die Beteiligung des WDR an der auf 3sat verbreiteten Sendung nano zur Disposition. Das, so fürchten die Freien, könnte der aktuellen Wissenschaftsberichterstattung im Deutschen Fernsehen das Rückgrat brechen. Dieser Schritt hätte „fatale Folgen, insbesondere für die weitere Erfüllung des Programmauftrages in den Bereichen Information und Bildung“, schreiben die Freien in einem Brief, der vergangene Woche den Mitgliedern des Rundfunkrates und dem Fernsehchef, Jörg Schönenborn, zuging.

Der offenbar geplante Rückzug des WDR aus dem Gemeinschaftsprojekt nano ist nur ein Baustein der Sparanstrengungen des Senders, die sich auf die Wissenschaftsberichterstattung beziehen. Ein weiterer ist die Einstellung der vom WDR verantworteten ARD Sendung Kopfball sowie die Einschnitte beim täglich auf WDR 5 verbreiteten Hörfunk-Format Leonardo, das seit Anfang des Jahres nur noch zehn statt vormals 15-minütige Features verbreitet. Diese Eindampfung des Sendeplatzes geht nach Darstellung der Freien einher mit einer verschlechterten Honorierung. Wurden die 15-Minuten-Beiträge vormals noch mit etwa 1000,- Euro vergütet, gibt es für die um fünf Minuten gekürzten Beiträge nur noch etwa 600,- Euro. Auf den Minutenpreis bezogen entspricht das einer Reduzierung der Honorare um knapp acht Prozent. Und das, obwohl der Arbeitsaufwand für die Recherche trotz verkürzter Sendezeit nicht geringer werde.

Als bedrohlich empfinden insbesondere die Hörfunk-Autoren zudem die Praxis, Fernsehautoren des Senders dazu anzuhalten, Fernsehbeiträge crossmedial insbesondere für den Feature-Platz bei Leonardo zu verwerten. Bei nochmals schlechterer Vergütung. In dieser Praxis spiegle sich das Verständnis der vom Intendanten, Tom Buhrow, ausgegebenen Cross-Media-Strategie des Senders, hinter der die Freien ein konzeptionsloses Sparmodell vermuten.

In einem Mitte Mai an den Intendanten adressierten Brief wenden sich die Freien nicht nur gegen dieses Verständnis von Cross-Medialität. Ein Dorn im Auge ist ihnen auch die Einführung eines journalistisch tätigen Producers, der aus fertigen Beiträgen und Rohmaterial ohne Beteiligung der ursprünglichen Autoren kostengünstig neue Beiträge erstellt. Wie bereits ein Beispiel zeige, könne diese Praxis dazu führen, dass Bildmaterial in sinnentstellende Zusammenhänge eingepasst werde. Darin sehen die freien Autoren einen „Missbrauch unserer Arbeit“, die das „Vertrauen in unsere journalistische Integrität“ zerstöre. Für den Erhalt journalistischer Integrität sei es unabweislich notwendig, Protagonisten und Experten einen korrekten Umgang mit ihren Aussagen zusichern zu können.

Die Autoren befürchten, dass sich ihre über die Jahre ohnehin schon verschlechterte ökonomische Situation weiter verschlimmert. Die Anzahl der Aufträge dürfe eine kritische Masse nicht unterschreiten, die Honorare dürften nicht weiter sinken. Im Gegenteil brauche es eine Erhöhung der Honorare und eine Vergrößerung des Auftragsvolumens. Ansonsten fehle die Existenzgrundlage für fachlich versierte Journalisten, die abwandern müssten etwa in die PR. „Ein solcher Verlust an Fachkompetenz, Kreativität und langjährig aufgebauter Expertise wäre für den WDR kaum ersetzbar und würde zu einer deutlichen Programmverflachung führen“, schreiben die Autoren.

Die Antwort, die die Freien nach fünf Wochen von Tom Buhrow erhielten, werteten sie als enttäuschend. Buhrow versicherte den Freien nach ihrer eigenen Darstellung zwar, die Befürchtungen „nicht auf die leichte Schulter“ nehmen zu wollen. Gleichzeitig bekräftigte er aber, dass die Programm-„Nische“ Wissenschaft weiter abgebaut werde. Dies solle kompensiert werden durch die neuen Möglichkeiten, die aus dem „crossmedialen Leuchtturm-Projekt Wissenschaft“ erwüchsen.


Markus Lehmkuhl Markus Lehmkuhl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich Wissenschaftskommunikation der Freien Universität Berlin. Er leitet die Redaktion von meta seit 2007.