Experten-Einschätzungen, Hintergrundinformationen, Pressekonferenzen: 2016 startet das Science Media Center Germany mit einem unabhängigen Angebot für Journalisten. Auf meta beantworten die Initiatoren Volker Stollorz und Mirko Meurer vorab die wichtigsten Fragen.

Das Science Media Center soll die Recherche von Journalisten zu wissenschaftlichen Themen unterstützen und so die Qualität der Wissenschaftsberichterstattung verbessern (Photo: CC BY NC 2.0: Josh*m via flickr)

Das Science Media Center soll die Recherche von Journalisten zu wissenschaftlichen Themen unterstützen und so die Qualität der Wissenschaftsberichterstattung verbessern (Photo: CC BY NC 2.0: Josh*m via flickr)

In Deutschland wird es bald ein Science Media Center geben. Was verbirgt sich hinter diesem Namen?
Das Science Media Center Germany ist eine unabhängige Einrichtung, die Journalisten zu aktuellen und komplexen Themen bestmögliche Informationen aus jeweils kompetenten Wissenschaftsdisziplinen liefern will. Und zwar vor allem dann, wenn wissenschaftliche Evidenz und Expertise bei der öffentlichen Einordnung von Ereignissen wichtig sind. Ein aktuelles Beispiel sind neue, revolutionäre Methoden der Genchirurgie. Mit dem sogenannten „Genome Editing“ können Wissenschaftler plötzlich technisch einfach und präzise im Erbgut von Lebewesen redigieren. Wie schätzen Fachleute das Potenzial dieser neuen Werkzeuge mit unverständlichen Namen wie TALEN oder Crispr-Cas9 ein? Wie bewerten Wissenschaftler erste Versuche chinesischer Wissenschaftler, das Erbgut menschlicher Embryonen zu verändern? Welche Eingriffe in die Keimbahn werden technisch möglich, was bleibt vorerst Science Fiction?

Wie wird die Arbeit des deutschsprachigen SMC aussehen, welche konkreten Angebote sind geplant?
Das SMC wird redaktionell unabhängig arbeiten und in einigen wichtigen Themenfeldern, also zum Beispiel im Bereich Medizin und Lebenswissenschaften, Informationen so aufbereiten, dass in Zeiten erhöhter öffentlicher Aufmerksamkeit wissenschaftliche Expertise verlässlich und zeitnah Eingang in die journalistische Berichterstattung finden kann. Ein zentrales Stichwort dabei ist Evidenz, also das, was entsprechende Wissenschaftsdisziplinen verlässlich wissen und sagen können. Deshalb wollen wir Statements und Einschätzungen von kompetenten Wissenschaftlern anbieten und Themenbriefings zu komplexen, kontroversen oder mehrdeutigen Forschungsergebnissen erstellen. In aktuellen Nachrichtenlagen lassen wir kompetente Fachleute in von Journalisten moderierten Pressekonferenzen zu Wort kommen – ein Anliegen der WPK seit ihren Gründertagen. Wir werden uns auf die Suche nach Experten spezialisieren. Aufklärung durch Argumente ist das Credo im Science Media Center Germany.

Gibt es Vorbilder für diese deutsche Initiative von Wissenschaftsjournalisten?
Ja, das erste Science Media Center entstand vor 12 Jahren in Großbritannien – übrigens nach einem öffentlichen Aufruhr über angebliche Autismus-Risiken der Masern-Mumps-Röteln-Dreifach-Impfung (http://www.sciencemediacentre.org). Seither liefert das britische Team um Fiona Fox registrierten Journalisten im Takt der Massenmedien immer dann Experteneinschätzungen, wenn zu erwarten ist, dass Wissenschaft Schlagzeilen macht. Die WPK hat sich das britische Modell angeschaut und auf Basis einer Machbarkeitsstudie ein eigenes Konzept für den deutschsprachigen Raum entwickelt. Dieses Projekt kann jetzt dank einer großzügigen Förderung der Klaus Tschira Stiftung realisiert werden. Ein Anliegen der Klaus Tschira Stiftung ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse der Gesellschaft zugänglich zu machen.

Für wen sind die Leistungen des SMC gedacht, wer ist Zielgruppe?
Das SMC versteht sich in erste Linie als Serviceangebot von Wissenschaftsjournalisten für Journalisten. In der Industrie würde man sagen, wir sind Zulieferer von Rohstoffen und Halbzeug, die dann veredelt und aus denen die endgültigen Produkte gefertigt werden. Unser Angebote richten sich nicht unmittelbar an „Leser”, „Hörer“ oder „Zuschauer”, sondern an professionell arbeitende Wissenschafts- und Nachrichtenjournalisten. Unser Ziel ist, uns zu einem zuverlässigen und vertrauenswürdigen Partner von Massenmedien zu entwickeln, wenn wissenschaftliche Sachverhalte die Schlagzeilen bestimmen und echte Expertise öffentliche Debatten bereichern können. Unsere zweite wichtige Zielgruppe sind Wissenschaftler, die sich bereit erklären, in öffentlichen Debatten ihre Stimme zu erheben. Und zwar dann, wenn der potenzielle „Impact“ hoch ist, also verlässliches Wissen der Wissenschaften einen Unterschied in der Berichterstattung machen kann. Unsere Überzeugung ist, dass Journalisten besser über Themen mit Wissenschaftsbezug berichten können, wenn kompetente Wissenschaftler den Journalisten rechtzeitig bei der Orientierung in komplexen Wissensbeständen helfen.

Wie wählt Ihr die Experten aus? Nach welchen Kriterien entscheidet Ihr, welche Wissenschaftler zu einem bestimmten Thema befragt werden – vor allem wenn es mehrere kompetente Ansprechpartner gibt?
Eine eigene Expertendatenbank wird den Nukleus des SMC bilden. Wir wählen die Experten mit Sorgfalt und vor allem mit Blick auf unsere Zielgruppen aus, nutzen dabei unter anderem wissenschaftliche Kriterien der Reputation: Das heißt, Expertise in ihren jeweiligen Fachgebieten, Publikationen, die öffentliche Relevanz der Forschungen, Empfehlungen von Institutionen, Fachgesellschaften und Kollegen und natürlich auch die Bereitschaft der Wissenschaftler, im „Ernstfall” zeitnah ansprechbar und reaktionsfähig zu sein. Wo sinnvoll, wollen wir ein Thema aus den interdisziplinären Perspektiven unterschiedlicher Fachgebiete beleuchten und wann immer wissenschaftlich sachgerecht auch divergierende Positionen veröffentlichen. Allerdings liegt die Wahrheit in der Wissenschaft bekanntlich nicht immer in der Mitte, wer wirklich ein echter Experte ist, entscheidet in einem Fachgebiet am besten die Gemeinschaft der Wissenschaftler selbst.

Wird das SMC eigene journalistische Produkte erstellen? Einige freie JournalistInnen befürchten, dass sie Aufträge verlieren, weil Redaktionen direkt auf das Angebot des SMC zurückgreifen. Wie seht Ihr das?
Das SMC sieht seine Aufgabe darin, Journalisten bei ihren Recherchen zu unterstützen. Unser Angebot sollen – sinnbildlich formuliert – exzellente Zutaten sein, mit denen Bäcker und Konditoren feinste Backwaren und köstliche Pralinen fertigen können. Wir hoffen, dass mehr Journalisten – ob feste oder freie – dank der Angebote des SMC in die Lage versetzt werden, auf der Basis verlässlichen Wissens schneller eigene Geschichten zu recherchieren, d.h. die besonderen Fallstricke der Berichterstattung in komplexen Wissensfeldern zu vermeiden.

Wie viele Arbeitsplätze für Journalisten werden durch das SMC entstehen?
Wir werden unser Team Schritt für Schritt und Thema für Thema aufbauen. Das SMC in London arbeitet derzeit mit neun Personen und das ist auch für uns die Größenordnung, die wir auf mittlere Sicht für sinnvoll halten. Noch wichtiger als die Zahl der Mitarbeiter ist für uns jedoch die Glaubwürdigkeit und die Akzeptanz unserer Dienstleistungen bei Journalisten und Wissenschaftlern. Deshalb beobachten wir zu Anfang lieber weniger Themen, liefern dafür aber wertvolle Substanz und brauchbare Expertisen. Mit wachsender Resonanz und einer steigenden Anzahl Förderer werden wir unseren Betrieb thematisch dann schrittweise ausweiten.

Wann geht es richtig los?
Anfang März 2015 haben wir – Volker Stollorz als wissenschaftlicher Geschäftsführer und Mirko Meurer als kaufmännischer Geschäftsführer  – die Arbeit aufgenommen. Inzwischen sind die rechtlichen Fragen geklärt und die Science Media Center Germany gGmbH ist zum Handelsregister angemeldet. Auf Basis der Machbarkeitsstudie arbeiten wir an der Verfeinerung von Konzept, Ausrichtung, ersten Produkten und natürlich allen personellen und organisatorischen Fragen. Daneben suchen wir Büroräume in Köln und führen Gespräche mit Journalisten, Wissenschaftlern und Vertretern von Institutionen, die zum Kreise der Freunde und Förderer des SMC gehören könnten. Die ersten Angebote an Journalisten gehen nach derzeitiger Planung 2016 an den Start.

Für welchen Zeitraum ist die Finanzierung des SMC gesichert, und wie soll es weitergehen, wenn die Förderung durch die Tschira-Stiftung ausläuft?
Zunächst einmal sind wir dankbar, dass die Klaus Tschira Stiftung das SMC für drei Jahre fördert. Ähnlich wie in Großbritannien, wo derzeit über 100 Institutionen das SMC in London finanziell unterstützen, streben auch wir an, die Zahl der Geldgeber zu erhöhen und zu diversifizieren. Perspektivisch entsteht Jahr für Jahr ein größerer Kreis aus Freunden und Förderern, der die unabhängige Arbeit des SMC sichert. Fundraising ist daher eine unserer wichtigen Aufgaben.

Wie garantiert Ihr die finanzielle und inhaltliche Unabhängigkeit des SMC?
Die Glaubwürdigkeit der Expertisen des SMC aus Sicht der Journalisten ist letztlich unser wichtigstes Kapital. Wir sind hervorgegangen aus dem Kreis der Wissenschaftsjournalisten. Journalistische Unabhängigkeit stellt für uns die wesentliche Daseinsberechtigung dar. Für uns stellt verlässliches Wissen der Wissenschaften mit Blick auf die Lösung gesellschaftlicher oder individueller Probleme eine wertvolle Ressource dar.

Wie werden SMC und WPK zusammenarbeiten?
Als Ideengeber und  künftiger Mit-Gesellschafter wird die WPK eine wichtige Rolle in der Ausrichtung des SMC innehaben und insbesondere für die journalistische Qualität und Unabhängigkeit einstehen. Neben der Mitwirkung in Gremien freuen wir uns auf regen Austausch mit dem Vorstand und den Mitgliedern der WPK. Willkommen sind auch Ideen und Anregungen – und vielleicht die eine oder andere Bewerbung.

Wohin können sich KollegInnen wenden, die mehr über das SMC erfahren und vielleicht mitarbeiten möchten?
Ganz einfach schreiben an volker.stollorz@sciencemediacenter.de oder mirko.meurer@sciencemediacenter.de.
Gerade ist auch unsere neue Website online gegangen, derzeit noch im Rohbau: http://www.sciencemediacenter.de

Auch engagierte Wissenschaftler und andere Interessenten können sich gerne an uns wenden.