Mit der Gründung von „Wissenschaft im Dialog“ wandten sich die Wissenschaftsorganisationen vor 15 Jahren vom Journalismus ab. Sie machten die Popularisierung zu ihrer eigenen Sache. Ein Rückblick VON MARKUS LEHMKUHL
In Deutschland war die Wissenschaft spät dran. Anders als in Großbritannien machte sie das „Public Understanding of Science“ erst 1999 ganz offiziell zu ihrer eigenen Sache. Das bedeutet freilich nicht, dass die mit dieser Bewegung in Großbritannien gekoppelten Problemwahrnehmungen vor dieser Zeit in Deutschland nicht geteilt worden wären. Sie sind aber anders als in Großbritannien, wo die Royal Society 1985 den so genannten Bodmer Report veröffentlichte, nicht Gegenstand hoch offizieller wissenschaftlicher Dokumente geworden.
Die relative Verspätung der Deutschen ist unter anderem als eine Folge der Zersplitterung der Wissenschaft zu deuten, die über keinen institutionellen Korpus verfügt, der die deutsche Wissenschaft als Ganzes organisieren könnte. Es bedurfte der Initiative des wirtschaftsnahen Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft und gutem Zureden durch das Bundesforschungsministerium (BMBF), damit die Wissenschaftsorganisationen in Deutschland 1999 ein Memorandum „Dialog Wissenschaft und Gesellschaft“ unterzeichneten. In diesem Dokument machte die Wissenschaft die Kommunikation mit der Öffentlichkeit ganz offiziell zu ihrer eigenen Sache.
Vorbild „Public Understanding of Science“
Als Vorbild diente das „Public Understanding of Science“ in Großbritannien. Es wurde als eine „Bewegung“ beschrieben, die von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik getrieben werde (Memorandum: 59). In der Problemsicht, die in diesem Memorandum zum Ausdruck gebracht wurde, spiegelte sich zu großen Teilen althergebrachtes Denken. So wurde die Initiative damit begründet, dass es in der Öffentlichkeit an der Bereitschaft mangele, Naturwissenschaft und Technik trotz ihrer herausragenden Rolle als kulturelle Leistung zu begreifen. Diagnostiziert wurde ein Verständigungsproblem, das auf die starke Spezialisierung der Wissenschaft zurückgeführt wurde. Es wurde aber auch in Verbindung gebracht mit der Eigenschaft von Wissenschaft, nicht mehr lediglich Problemlöser zu sein, sondern auch Problemverursacher.
Im Memorandum herausgestellt wurden zwei Ziele der auf die Öffentlichkeit gerichteten Anstrengungen der Wissenschaftsorganisationen: Es ging erstens um die Akzeptanzsicherung für die Wissenschaft, an der sowohl der Wirtschaft als auch der Politik im Interesse der Innovationskraft Deutschlands gelegen sein müsse. Zweitens ging es um Aufklärung, die zum einen als notwendig erachtet wurde für die Ermöglichung der demokratischen Teilhabe an gesellschaftlichen Diskussionen mit Wissenschaftsbezug, zum anderen diene sie der Weckung von Begeisterung für die Wissenschaft. Um diese Ziele zu erreichen wurde angestrebt, einen „permanenten Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu etablieren“ (Memorandum: 59).
Das Memorandum zielte vorrangig auf Wissenschaftler. Diese wurden aufgefordert, ihre Arbeit auch in einer für Laien verständlichen Form darzustellen. Um deren Engagement zu befördern, wurde ein geeignetes Anreizsystem angestrebt, das den Dialog mit der Öffentlichkeit zu einem zusätzlichen Merkmal wissenschaftlicher Reputation machen sollte. Wissenschaftler sollten durch geeignete Weiterbildungen dazu befähigt werden. Etwas verbindlicher wurde der Ton des Memorandums mit Blick auf die PR-Anstrengungen jeder einzelnen Wissenschaftsorganisation. Die PR-Abteilungen sollten ihre Anstrengungen künftig abstimmen und koordinieren (Stifterverband 2000: 60).
PUSH – Ein Ideenwettbewerb
Direkt auf dieses Memorandum folgte die Einrichtung eines Aktionsprogramms „Public Understanding of Science and Humanities“ (PUSH) durch den Stifterverband für die deutsche Wissenschaft. Es handelte sich um einen Ideenwettbewerb, der Wissenschaftler aufforderte, Vorschläge zur Popularisierung wissenschaftlichen Wissens zu unterbreiten, die dem Geist des Memorandums Rechnung tragen. Bis 2003 wurden 67 Projekte unter 514 Anträgen ausgewählt und mit 1,2 Mio Euro gefördert. Die Projekte waren ein Sammelsurium unterschiedlichster Aktivitäten, die sich zumeist auf die Naturwissenschaften bezogen, in aller Regel Faszination wecken wollten für einzelne Disziplinen oder Forschungsbereiche (Ausstellungen, Exkursionen, Vortragsreihen) und den direkten Kontakt zur Zielgruppe herstellten. Vorrangig im Blickfeld waren Kinder und Jugendliche (Conein 2004). Einzelne Aktionen griffen den im Memorandum angelegten Dialog-Begriff auf. Im Rahmen dieses Aktionsprogrammes wurden mehrere Bürgerkonferenzen veranstaltet, in denen es zu einem Dialog kommen sollte zwischen Wissenschaftlern und Bürgern.
Ebenfalls unmittelbar nach Verabschiedung des Memorandums wurde im Jahr 2000 die gemeinnützige Gesellschaft „Wissenschaft im Dialog“ etabliert, die bis heute fortbesteht. Sie ist als eine Institution anzusprechen, in der das im Memorandum genannte Ziel der Koordinierung der PR-Aktivitäten Gestalt annehmen sollte. Sie wurde und wird durch die Wissenschaftsorganisationen grundfinanziert (aktuell 750.000 Euro jährlich). Öffentliche Sichtbarkeit entfaltet die Gesellschaft aber vor allem durch Initiativen und Projekte, die maßgeblich durch das Bundesforschungsministerium finanziert werden. Dirigiert wird sie von einer Lenkungsgruppe, in der formell die obersten Repräsentanten der deutschen Wissenschaftsorganisationen, der wirtschaftsnahe Stifterverband sowie das Forschungsministerium vertreten sind. Praktisch wird die Gesellschaft durch die Chefs der PR-Abteilungen der Wissenschaftsorganisationen gelenkt.
Diese Gesellschaft ist in den zurückliegenden 15 Jahren als Organisator bundesweiter Aktivitäten in Erscheinung getreten, die vor allem vom Versuch geprägt sind, die Faszination für Wissenschaft zu wecken. Als eine Klammer, die diese vielfältigen Aktionen inhaltlich zusammenhält, fungierten die so genannten „Jahre der Wissenschaft“. Bei diesen Jahren standen zunächst einzelne wissenschaftliche Disziplinen oder Disziplingruppen im Fokus (Physik, Chemie, Lebenswissenschaften, Informatik). Große Events wie der „Wissenschaftssommer“ oder ein schwimmendes Science Center sowie zahlreiche kleinere Aktionen wurden dann in jedem Jahr unter das Motto des jeweiligen Wissenschaftsjahres gestellt. Die Orientierung an wissenschaftlichen Disziplinen wurde im Jahre 2009 abgelöst von eher themenbezogenen Jahren der Wissenschaft, so 2010, in dem es um die Zukunft der Energie ging, 2015 steht nun die Stadt der Zukunft im Mittelpunkt.
Dies ist als eine Abkehr von einer wissenschaftszentrierten thematischen Ausrichtung der Wissenschaftsjahre hin zu einer stärker problembezogenen zu deuten, in der eine Orientierung an vermuteten Interessenlagen der Bevölkerung zum Ausdruck kommt. Dieser Problembezug schuf dann Anknüpfungspunkte für Experimente mit eher auf Dialog zielende Aktivitäten, etwa so genannte Konsensuskonferenzen, in denen eine kleine Zahl von Bürgern Empfehlungen verabschiedeten für die Gestaltung der künftigen Energieversorgung, die sich an Entscheidungsträger richtete.
„Forum Wissenschaftskommunikation“ – Von Wissenschaftlern bisher kaum zur Präsentation relevanter Ergebnisse genutzt
Als eine Aktivität, die primär auf die Reflexion der auf die Öffentlichkeit bezogenen Anstrengungen zielte, ist die Etablierung eines „Forums Wissenschaftskommunikation“ zu nennen, das seit 2008 ein Mal jährlich stattfindet. Mit dieser Konferenz hat „Wissenschaft im Dialog“ eine Möglichkeit geschaffen für den Erfahrungsaustausch zwischen professionellen Wissenschaftskommunikatoren. Daneben hat es mindestens potentiell ein Medium geschaffen für die Integration im Regelfall sozialwissenschaftlich erworbenen Reflexionswissens über die Wissenschaftskommunikation. Wie die Liste der Vorträge und Diskussionen allerdings zeigt, nutzten Wissenschaftler dieses Forum bislang kaum, um relevante Ergebnisse zu präsentieren.
Es wäre ein Missverständnis, würde man die auf die Wissenschaftspopularisierung zielenden Aktivitäten der Wissenschaft allein mit der Gesellschaft „Wissenschaft im Dialog“ in Verbindung bringen. Diese Initiative ist nicht aufzufassen als der Startpunkt intensiver Beschäftigung mit der Wissenschaftskommunikation. Eher ist sie der Versuch, den bereits vielfältigen Aktivitäten in der Wissenschaftspopularisierung neue Impulse und eine Richtung zu geben, um ihnen so größere Wirkungschancen zu eröffnen.
Damit ist zugleich eine der Entwicklungslinien angeschnitten, die die jüngere Geschichte der Wissenschaftskommunikation in Deutschland charakterisieren. „Die Wissenschaft“ tritt heute anders als noch vor 15 Jahren als Organisator von großen Events und anderen erlebnisbezogenen Großereignissen als eine Art Einheit in der Öffentlichkeit in Erscheinung, was insbesondere auf die Gesellschaft „Wissenschaft im Dialog“ zurückzuführen ist und eines der maßgeblichen politischen Ziele war, das ihre Gründung und Förderung motivierte.
Diese Initiative ist deshalb in Verbindung zu bringen mit anderen politischen Bestrebungen der jüngeren Vergangenheit, Wissenschaftsorganisationen dazu zu bewegen, sich in Verbünden zu organisieren, um „der Wissenschaft“ als gesellschaftlich relevanter Kraft zu mehr öffentlicher und politischer Geltung zu verhelfen. Dazu zählte der gescheiterte politische Versuch, mehrere Akademien der Wissenschaften zu einer einzigen „Nationalen Akademie der Wissenschaften“ zusammenzuführen, die dann als „Stimme der Wissenschaft“ Einfluss gewinnen könne auf gesellschaftlich relevante Fragen wie etwa die Regelung der Präimplantationsdiagnostik. Es gehört zu den derzeitigen Charakteristiken der konkreten Ausprägung von Wissenschaftskommunikation, dass die Einflussnahme auf gesellschaftlich relevante Diskurse fast völlig außerhalb dessen liegt, was unter dem Begriff der Wissenschaftskommunikation praktisch fassbar wird.
Dies ist als eine Folge der starken Relativierung der Bedeutung des Journalismus für die organisierte Wissenschaftskommunikation in den zurückliegenden 15 Jahren zu sehen. Diese Entwicklung haben das Aktionsprogramm PUSH und die Initiative Wissenschaft im Dialog einerseits deutlich werden lassen, andererseits auch katalysiert. Einflussnahme auf gesellschaftliche Debatten mit dem Ziel ihrer wissenschaftlichen Rationalisierung ist nicht vorstellbar ohne Massenmedien. Unter der Vielzahl der Aktivitäten, die „Wissenschaft im Dialog“ bündelt, findet sich aber keine einzige, bei der Massenmedien eine bedeutsame Rolle spielten. Ähnliches galt für das Aktionsprogramm PUSH. Kennzeichnend für die jüngere Entwicklung des Public Understanding of Science in Deutschland ist damit das Bestreben, Laien direkt anzusprechen. Daraus ergibt sich eine ganz beträchtliche Diversifizierung der Wissenschaftskommunikation, die eine große Zahl unterschiedlicher Formate hervorgebracht hat, in denen es vorrangig um die Weckung von Faszination, um Erleben und Informieren geht, nicht um Problematisierung oder öffentlichen Diskurs.
Dahinter steht ein Verständnis, dass Öffentlichkeit eher als Sammelbegriff für unterschiedliche Zielgruppen begreift, an die werbende Botschaften mit persuasiver Wirkungsabsicht adressiert werden, nicht als ein gesellschaftliches System im soziologischen Sinne, das bestimmte gesellschaftliche Funktionen erfüllt und – bisher jedenfalls – nur durch Massenmedien hergestellt werden kann.
Es lässt sich wegen des Mangels einschlägiger Analysen nur schwer beurteilen, ob dieses Verständnis von Öffentlichkeit überhaupt je eine Rolle gespielt hat für die strategische Ausrichtung der Wissenschaftskommunikation. Mit Sicherheit lässt sich aber sagen, dass die Initiative „Wissenschaft im Dialog“ trotz ihres Namens nicht dazu beigetragen hat, das im Memorandum angeschnittene Ziel der wissenschaftlichen Rationalisierung gesellschaftlich relevanter Debatten irgendwie greifbar zu machen. Was als durchaus ernsthafter Versuch einer dialogorientierten Wissenschaftskommunikation gestartet ist, ist praktisch zu einer Art Imagekampagne geworden, bei der sehr zweifelhaft ist, ob sie das Wesen der Wissenschaft nicht eher verdeckt als es offenbar werden zu lassen.
Wissenschaftsorganisationen sind ihren eigenen Organisationslogiken verpflichtet
Es wäre aber zu kurz gegriffen, nur den Trend zur direkten Vermittlung von Botschaften an ein angepeiltes Zielpublikum dafür verantwortlich zu machen. Wie im Memorandum angelegt, wird man in der Wissenschaft – genauer gesagt im methodisch erworbenen Wissen – zwar durchaus eine Quelle sehen können, die in der Lage ist, zur Rationalisierung gesellschaftlicher Debatten im Wege eines öffentlichen Diskurses beizutragen. Man wird aber sehr große Zweifel hegen müssen, dass man diesem Anspruch durch die gebündelten PR-Anstrengungen von Wissenschaftsorganisationen näher kommen kann, die letztlich nur ihren eigenen Organisationslogiken verpflichtet sind.
Ebenfalls zu bezweifeln ist, dass man diesem Anspruch durch eine Aktivierung von Wissenschaftlern näher kommen kann. Denn das im Memorandum angesprochene Ziel, den Dialog mit der Öffentlichkeit zum Bestandteil der wissenschaftlichen Reputation werden zu lassen, ist nicht einmal näherungsweise erreicht worden. Im Übrigen sind Anreize, wie etwa der mit 50.000 Euro hoch dotierte Kommunikatorpreis, nicht darauf gerichtet, die wissenschaftliche Beteiligung an gesellschaftlichen Diskursen zu belohnen, sondern die verständliche Darstellung spannender Wissenschaft.
Man wird angesichts der real existierenden Bemühungen seitens der deutschen Wissenschaft, das „public understanding of science“ zu befördern, Zweifel daran hegen müssen, dass diese zielführend sind. Begründet liegt das vor allem darin, dass sich die Wissenschaftskommunikation im Nachgang des Memorandums praktisch auf die Erzeugung von Resonanz in werbender Absicht fokussiert hat und eine strukturelle Unfähigkeit erkennen lässt, auch unbeabsichtigte Nebenfolgen dieser Anstrengungen in ihre Konzeptionierung mit aufzunehmen.
Dies scheint sich aktuell zu verändern. Die Stellungnahme der Akademien der Wissenschaften aus dem Sommer 2014 ist ein Indiz dafür, dass sich in der Wissenschaft selbst ein Unbehagen auszubreiten scheint ob der möglichen, nicht intendierten Wirkungen dieser Kommunikationsanstrengungen: Man fürchtet nunmehr selbst den Vertrauensverlust.
Literatur:
Conein, S. (2004). Public understanding of science: Entwicklung und aktuelle Tendenzen. In S. Conein, J. Schrader, & M. Stadler (Eds.), Erwachsenenbildung und die Popularisierung von Wissenschaft. Probleme und Perspektiven bei der Vermittlung von Mathematik, Naturwissenschaften und Technik (pp. 20–31). Bielefeld: Bertelsmann.
Dieser Beitrag ist ein geänderter Auszug aus einem 2012 erschienen Aufsatz, der bei Springer erschienen ist. Lehmkuhl, M. (2012): The Recent Public Understanding of Science Movement in Germany. In B. Schiele, M. Claessens, & S. Shi (Eds.), Science Communication in the World (pp. 125–138). Springer Netherlands.
Markus Lehmkuhl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich Wissenschaftskommunikation der Freien Universität Berlin. Er leitet die Redaktion von meta seit 2007.
Kommentare
Markus Weißkopf schreibt:
13. April 2015 um 02:25 Uhr
Vielen Dank für diesen konstruktiven Beitrag zur Debatte. Mit einigen Analysen des Artikels bin ich allerdings nicht ganz einverstanden und möchte auch kurz aufzeigen, weshalb:
1. Journalismus, nein danke?
Die These, dass PUSH und damit die institutionalisierte Wissenschaftskommunikation bewusst die Massenmedien und damit den Journalismus von ihren Aktivitäten ausschließen, möchte ich dann doch in Frage stellen. Viele Vertreter unserer Zunft wären froh, wenn Sie in ihrer Arbeit stärker mit den Medien zusammenarbeiten könnten. Leider sind dort mehr und mehr die Ansprechpartner abhandengekommen. Die eigenen Aktivitäten sind zum Teil eher eine Reaktion auf die Krise der Medien – nicht andersrum!
2. Die Wissenschaft und die Wissenschaftskommunikation
Dass ein potenzieller Vertrauensverlust in die Wissenschaft in deren PR-Aktivitäten gründen soll, halte ich für eine gewagte These. Hier zeigen sich vielleicht die Symptome einiger Fehlentwicklungen. Aber man sollte aufpassen und nicht die Kausalitäten durcheinander bringen. Nach allem, was sich konkret in unserem Alltag beobachten lässt, ist es sicherlich auch nicht die gesamte Wissenschaft, die die Kommunikation kritisch beäugt. Hier muss man differenzierter analysieren: Es gibt Professoren, die morgens eine etwas übertrieben formulierte Pressemitteilung an ihre Pressestelle senden und sich am Nachmittag über die Medialisierung beschweren. Einige wünschen sich eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit ähnlich wie in einem Unternehmen, andere eine, die sämtliche Imagekommunikation beiseitelässt. Schließlich sind da noch diejenigen, die mittlerweile open science propagieren und selbst praktizieren.
Daraus folgt natürlich ein wichtiger Appell an die Wissenschaftskommunikation selbst: Wir müssen stärker mit den Wissenschaftlern und den Leitungen klären, welche Kommunikation von uns erwartet wird.
3. Die Kommunikation und der Dialog
Dann noch ein Hinweis zum Thema Dialog bei Wissenschaft im Dialog: Es mag auch daran liegen, dass die Erstfassung des Artikels von 2012 stammt, aber dennoch: Wir würden es begrüßen, wenn auch die neueren Projekte bei WiD mit in die Betrachtung aufgenommen werden. Crowdfunding, Citizen Science oder die Veranstaltungen im Rahmen von Wissenschaft kontrovers zeigen, dass hier eine Bewegung hin zu mehr Offenheit und Beteiligung vorhanden ist. Sicherlich ist das noch nicht genug. Aber auch hier gilt: Die Kommunikation ist ein Abbild der Kultur der Wissenschaft selbst. Sie kann an einigen Stellen die Avantgardisten beispielsweise einer Open Science-Bewegung begleiten, letztlich spiegelt sie aber im Wesentlichen die aktuellen Rahmenbedingungen der „Branche“ wieder.
Viele Grüße
Markus Weißkopf
Thomas Deichmann schreibt:
13. April 2015 um 03:46 Uhr
… eine fürwahr längst überfällige Diskussion – besten Dank für den Anstoß. Als größtes Manko empfinde ich, dass die Naturwissenschaften es nicht vermocht haben, sich den gesellschaftspolitischen Veränderungen intellektuell und kommunikativ zu stellen. Diese Veränderungen wurden angestoßen vor allem vom Parteiensystem auf der Suche nach neuen Anknüpfungspunkten mit dem „Verbraucher“, der früher einmal „Bürger“ genannt wurde. Statt programmatischer Zukunftsgestaltung dominieren seit der Wende zunehmend technokratisches und Krisen-Management, Angstpolitik und Verbraucherschutz das parlamentarische Geschäft und den öffentlichen Diskurs. Als Folge ist die Wertschätzung wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns als eine zentrale intellektuelle Ressource eines modernen Gemeinwesens immer weiter verblasst. In unserer vermeintlichen „Risikogesellschaft“ wird Naturwissenschaft heute bestenfalls als Ware auf dem „Bildungsmarkt“ gesehen und in weiten Teilen des politischen Apparats und der Gesellschaft sogar eher als Bedrohung denn als Innovationskraft empfunden. Bis auf wenige Impulse wurde der notwendige politische Diskurs zu diesen Meta-Themen von den großen Wissenschaftsinstitutionen verschlafen. Die große Frage lautet „Warum?“. Mit Imagekampagnen und PR ließ und lässt sich an diesen Trends natürlich nichts ändern – das zeigte sich übrigens schon recht früh auch in Großbritannien.
Patrick Honecker schreibt:
14. April 2015 um 07:40 Uhr
Viele Aussagen dieses Textes machen mich ratlos. Ich bin der Kommunikationschef einer großen Uni und sehe Journalisten als einen sehr bedeutende Stakeholdergruppe in unserer Arbeit an. Ich und vermutlich die Mehrheit meiner Kolleginnen und Kollegen in der organisationsgeleiteten Wissenschaftskommunikation würden Medienarbeit sicherlich nicht als wenig relevant betrachten. Auf der anderen Seite habe ich im vergangen Jahrzehnt nur wenig Berührung mit WiD gehabt. Von einer Steuerung kann ich nur träumen.
Die selbstreferentielle Beschäftigung mit Wissenschaftskommunikation – häufig aus der Wissenschaft heraus – empfinde ich als erstaunlich unwissend und retrospektiv. Professioneller wird’s dadurch leider nicht, die Agenturen denken da weiter….
antoroblog schreibt:
14. April 2015 um 09:20 Uhr
nachdem ich mich durch Ihren Text durchgekämpft habe, bin ich ein bisschen enttäuscht. Ich fühle mich an das Spiegelgespräch mit Holger Wormer und Ernst Peter Fischer erinnert, in denen diese – allerdings deutlich weniger verklausuliert – WID im Besonderen und der Wissenschaftskommunikation im Allgemeinen die Existenzberechtigung absprechen. Ihre Thesen sind unter anderem:
1.) Der WID macht Imagekampagnen, aber trägt nicht zu gesellschaftlich relevanten Debatten bei.
2.) Die Wissenschaftskommunikation setzt nur auf PR, Faszination Wissenschaft und Image und ist damit schuld an einem gewissen Vertrauensverlust der Öffentlichkeit in die Wissenschaft.
Beiden Thesen möchte ich widersprechen. Zu 1.) Ich erlebe die Aktionen des WID eben doch als sehr dialogorientiert, als Aufforderung zum Mitmachen. Allerdings ist es extrem schwierig, andere Gruppen als bildungsorientierte Menschen zu erreichen. Meiner Wahrnehmung nach wird Wissenschaft durchaus als „Prozess“ vorgestellt, etwa im letztjährigen Kurzvideowettbewerb „FAIL“, bei dem es um misslungene Experimente ging. Als Bürgerin finde ich manche WID-Angebote sehr innovativ und inspirierend.
Zu 2.) Ich arbeite als Wissenschaftsredakteurin in einem naturwissenschaftlichen Forschungszentrum. Erstens finde ich „Public Relations“ völlig legitim: Wir werben um gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um Nutzer, um Forschungsgelder, und das tun wir auch, indem wir interessante Forschungsprojekte vorstellen. Zweitens besteht ein sehr großer Teil meiner Arbeit nicht aus „PR“, sondern aus der Erklärung unserer Forschungsergebnisse und ihrer Bedeutung: Da unsere Thematik sehr speziell ist, sind wichtige Zielgruppen zum Beispiel auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die keine Zeit haben, alle Fachpublikationen zu lesen, die unser Angebot an kurzen Texten aber gern nutzen. Weitere wichtige Zielgruppen sind Zuwendungsgeber, Kooperationspartner und natürlich auch die Öffentlichkeit.
Dabei machen wir hier eher den „Erklärbar“ als den „Problembären“, das ist richtig und auch gut so. Strittige Punkte in Forschungsarbeiten sind meist so speziell, dass sie in Fachkreisen geklärt werden müssen. Wir sehen hier aber eine Aufgabenteilung mit den Medien: Unser „Erklärservice“ ist eine Dienstleistung, Medien können sie nutzen, und problematische Entwicklungen kritisieren. Ich wünsche mir einen starken Journalismus, der diese Aufgabe gut erfüllen kann. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass auch unsere Arbeit sinnvoll und wertvoll ist.
Redaktion schreibt:
15. April 2015 um 03:51 Uhr
Jens Rehländer von der VolkswagenStiftung hat auf seinem Blog eine lesenswerte Zusammenfassung des meta-Dossiers unter dem Titel „Wissenschaftler! Welche PR wollt ihr eigentlich?“ veröffentlicht und kündigt dort einen Workshop an: http://jensrehlaender.com/2015/04/15/wissenschaftler-welche-pr-wollt-ihr-eigentlich/
Dr. Josef König schreibt:
24. April 2015 um 03:06 Uhr
Zunächst vielen Dank an Markus Lehmkühl für die kritische Fortsetzung der Debatte. Danke auch an Markus Weißkopf und Jens Rehländer, die einige falsche Vorstellungen und Schieflagen bei Markus Lehmkuhl korrigieren. Ich bin froh, dass zudem Reiner Korbmann, dem ich hier ebenso danke und weitgehend zustimme, in seinem Blog die richtige Replik gefunden hat und letztlich auch einige wesentliche Aspekte einbringt. Vor allem danke ich Korbmann dafür, dass er eine Lanze für die „Wissenschaftskommunikatoren“ bricht. Denn, wenn ich das getan hätte, wäre das immer pro domo gewesen!
Warum diese Debatte?
Und dennoch gilt es einige Fragen zu stellen und vielleicht dabei Ansätze für Antworten einzubringen. Die erste Frage, die mir in den Sinn kommt: Das ganze Jahr 2014 sprachen wir vom „heißen Sommer der Wissenschaftskommunikation“. Aber keiner hat, soweit ich die Debatte überblicke, überhaupt die Frage gestellt, warum diese Diskussion plötzlich aufgekommen ist? Was ist der Hintergrund für diese Debatte? Sind es wirklich die in der Akademie der Wissenschaften vertretenen „Spitzen“ der deutschen Wissenschaft, die nun selbstkritisch geworden sind und glauben, dass ihre Institutionen über das Ziel hinaus schießen? Stimmt diese These überhaupt? Oder ist vielleicht das Gutachten der Akademie nur ein Instrument weniger Wissenschaftler, die sich mit Medien und Wissenschaftsjournalismus befassen, um die eigene (frühere) Zunft aus der Kritik herauszunehmen? Will das Gutachten vom Zustand der Wissenschaft selbst ablenken und findet in der „Wissenschaftskommunikation“ den dankbaren schwachen Esel, den es zu prügeln gilt? Also eine Debatte zur Unzeit oder eine Debatte mit falschem Zungenschlag, um eigenen Versäumnissen abzulenken?
Kritischer Dialog?
Vor drei Jahren hat Volker Meyer-Guckel in einem Blog schlichtweg behauptet, der 1999/2000 von PUSH intendierte Dialog der Wissenschaft mit der Öffentlichkeit sei im Marketing der Wissenschaftsorganisationen stecken geblieben. Stimmt diese These? Ist sie jemals kritisch überprüft worden? Oder sind die Symptome, die Meyer-Guckel beschreibt nicht vielleicht Ausdruck dessen, dass das PUSH-Memorandum, an dem er selbst kräftig mitgewirkt hat, nie definiert hat, was unter dem „kritischen Dialog“ zu verstehen ist? Gibt es – jenseits des gerade aufkommendem crowdfundings und der Citizen Science Bewegung – überhaupt konkrete Vorstellungen darüber, wer mit wem den „kritischen Dialog“ in welcher Form wo führen soll? Aus der PUSH-Initiative sind „Jahre der Wissenschaft“, „Tage der Wissenschaft“, „Nächte der Wissenschaft“ etc. hervorgegangen. Wer sagt, das wäre nur Marketing und die dort vertretenen Wissenschaftler würden nicht mit den (auch kritischen) Bürgern über ihre eigenen Arbeiten sprechen? Wo endet der Dialog und wo beginnt das Marketing und umgekehrt wo beginnt der Dialog und endet das Marketing? Und welche andere Aufgabe haben „Wissenschaftskommunikatoren“ als Wege und Möglichkeiten der Selbstdarstellung den Mitgliedern in ihren Institutionen aufzuzeigen und diese Wege in die verschiedenen Öffentlichkeiten vorzubereiten?
Rückzugsgefecht des Wissenschaftsjournalismus?
Wenn ich die Frage stelle, warum jetzt diese Debatte, so komme ich nicht umhin sie zu parallelisieren mit den Änderungen in der Medienlandschaft oder noch genauer der kritischen Phase, in der sich die Printmedien/Massenmedien befinden. Hatten Zeitungsverleger noch vor weniger als zwei Jahrzehnten die Erlaubnis, „Geld zu drucken“, so ist ihnen inzwischen dieses Privileg abhanden gekommen. Das Anzeigengeschäft ist ins Internet abgewandert, und die „klassischen Printmassenmedien“ haben noch nicht den Weg gefunden, wie sie im Internet diesen Verlust kompensieren (Blog und TV lasse ich hier beiseite, weil sie nicht mit debattieren). Darunter scheinen zahlreiche Ressorts zu leiden: Der Lokaljournalismus ist ausgedünnt, die regionalen Medien haben enorme Kündigungswellen hinter sich und Verleger finden Kooperationen beim Mantel selbst über politische Unverträglichkeiten hinweg. In erster Linie aber scheint das Ressort Wissenschaft zu leiden. Aber warum geht dieses einen anderen Weg als die anderen Ressorts? Warum interveniert es nicht in den eigenen Verlagen, sondern beklagt sich vielmehr über seine Counterparts, die Wissenschaftskommunikatoren? Warum versäumen manche Wissenschaftjournalisten – wie jüngst im Blog „Wissenschaft aktuell“ Manfred Ronzheimer beklagt – ihre Aufgaben wahrzunehmen und sie richtig zu erfüllen? Warum beschimpft Markus Lehmkuhl („Bashing“) die Wissenschaftskommunikatoren, die natürlich um die geringe Aufmerksamkeit der weniger werdenden Wissenschaftsjournalisten buhlen, wenn sie ihre Arbeit so gut machen, dass sie die Aufmerksamkeit gewinnen? Warum wird „Wissenschafts-PR“ von Wissenschaftsjournalisten mit einer eine Debatte um die „mangelnde“ Qualität der Wissenschaftskommunikation durchzogen und beschimpft wegen ihrer angeblichen oder vermeintlichen Übertreibungen? Ist es nicht die Aufgabe von Wissenschaftsjournalisten, die Presseinformationen und Statements aus der Wissenschaft genauso kritisch zu hinterfragen und zu kommentieren, wie es die politischen Journalisten mit Infos und Aussagen von Politikern und Wirtschaftsjournalisten mit Infos aus den Unternehmen tun? Ist bzw. soll Wissenschaft in den Augen der Wissenschaftsjournalisten etwa so sakrosankt sein? Markus Lehmkuhl beklagt sich darüber, dass es „34.000 Studien“ zu Kaffee gebe. Abgesehen davon, dass diese nicht gleichzeitig entstanden sind, zeigt diese Klage ein seltsames Verständnis von Wissenschaft. Glaubt er wirklich, dass Wissenschaft endgültige Wahrheiten produziere? Gibt es in seinen und den Augen von Wissenschaftsjournalisten den Glauben an eine endgültige, für immer feststehende Wahrheit? Oder ist vielleicht das ganze Wissenschaftssystem nicht mehr als ein „Spiel“ um die Wahrheit mit verschiedenen Graden von Konsensen für bestimmte Zeiten? Und ist nicht die Aufgabe von Wissenschaftsjournalisten in diesem Spiel die kritische Analyse und das Kommentieren der „gerade Konsens fähigen Wahrheit“?
„Qualität von Wissenschaftskommunikation“?
Aufgeschreckt und geprügelt von mehreren Seiten, reagieren die „Wissenschaftskommunikatoren“ mit einer Qualitätsdiskussion, die ihnen eher aufgezwungen scheint als aus eigenem Antrieb unternommen. Dagegen ist im Prinzip nichts zu sagen. Über die Qualität der eigenen Arbeit nachzudenken, ist immer richtig und vielleicht das Gebot der Stunde. Und die Qualität der eigenen Arbeit ist in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich verbessert worden. Das kann ich aus eigener Anschauung so behaupten, und das nicht nur, wie Reiner Korbmann glaubt, bei einigen Dutzend, sondern allgemein. Und es gibt sehr wohl Ausbildungen, Studium und Volontariate für Wissenschafskommunikatoren. Es ist nur natürlich, dass wir, die Wissenschaftskommunikatoren unsere Arbeit deutlich in andere Publika ausweiten mussten, je mehr uns die Journalisten „abhanden“ kamen. So kann man die Arbeit des „Siggener-Kreises“ sehen als Arbeit an der Qualität des eigenen Tuns. Und dennoch muss sie kritisch hinterfragt werden: An wen richten sich Aufruf und Appel des „Siggener-Kreises“? Sind die Adressaten klar bestimmt? Geht es nur um die Qualität der eigenen Arbeit? Und warum beschleicht mich manchmal die Vermutung, dass die „Siggener“ mit ihrer Diskussion um die Qualität der Wissenschaftskommunikation sich auch auf den Weg gemacht haben, gleichzeitig den „Wissenschaftsjournalismus“ zu retten? Vor wem? Vor sich selbst? Vor den Ansprüchen der Verleger? Den nicht erfüllbaren eigenen Ansprüchen?
Viele Fragen und manche Unterstellungen – ich könnte noch einige Fragen an die Wissenschaft und den zersplitterten Interessen und Zuständen in den Wissenschaftsorganisationen hinzufügen. Die eigentliche Frage aber ist: Welche Rollen haben die unterschiedlichen Akteure in diesem großen Welttheater und sind sie bereit, ihre eigene Rolle klar zu definieren und sie gut zu spielen, anstatt anderen immer wieder falsches Rollenbewusstsein zu unterstellen bzw. die Rolle der anderen bewusst misszuverstehen? Die Antwort darauf würde der Diskussion gut tun und uns wieder dazu bringen, die eigene Arbeit in den Vordergrund zu stellen.
Pingbacks
[…] Journalismus? Nein, Danke! […]
[…] (FU Berlin) angestoßen und durch kluge Kommentare von Jens Rehländer (Volkswagenstiftung) und Markus Weißkopf (WiD) befeuert wurde. Es geht im Kern um das grundlegende Thema: Die Misere der […]