Während traditionelle Medien zahlenden Leser und Anzeigenkunden verliert, werden interessante neue Formate auf den Markt gebracht: Substanz, c´t wissen, WIRED und Krautreporter VON HINNERK FELDWISCH-DRENTRUP

Sollte sich der Journalismus die Experimentierfreude aus der Wissenschaft abgucken, um aus der Krise zu kommen? (Foto: CC BY 2.0: Peter Megyerl via flickr)

Sollte sich der Journalismus die Experimentierfreude aus der Wissenschaft abgucken, um aus der Krise zu kommen? (Foto: CC BY 2.0: Peter Megyerl via flickr)

Kann man in der Medienkrise noch Kinder in die Welt setzen? Aber ja, antworteten zwei Chefredakteure und ein Geschäftsführer auf der diesjährigen Wissenswerte in Magdeburg. Die drei verantworten Medientiteln, die mit Wissen punkten wollen, c´t wissen, WIRED und Krautreporter. Es scheint also noch Hoffnung zu geben. Die neuen Formate verfolgen jeweils andere journalistische und finanzielle Konzepte, doch eines ist ihnen gemeinsam: Sie sind optimistisch, und geben sich sehr experimentierfreudig.

Laut Jürgen Rink vom Heise-Verlag wäre es vor fünf Jahren noch nicht möglich gewesen, das neue Magazin c’t wissen auf den Markt zu bringen: Erst der fortgeschrittene Medienwandel hätte dem Verlag die Augen geöffnet, neben den traditionellen Formaten auch neue Wege auszuprobieren.

Das Konzept der monothematischen Hefte sei stark auf den Punkt gebracht, sagte Jürgen Rink: Sie sollen Lesern Lösungen an die Hand geben. Die Ausgaben von c’t wissen widmen sich dem Bau von Quadrocoptern oder dem Smart Home – jeweils mit Anleitungen zum Selberbau. Griffig sind nicht nur die Inhalte, sondern auch das Papier, das den Werkstatt-Charakter des Magazins spiegelt. Daneben gebe es einen sehr hohen E-Book-Anteil, sagte Rink.

Jüngeres Publikum, breiterer Ansatz, mehr Teilnahme

Während das mittlere Alter der Leser des Computermagazins c’t um die 50 liege, soll c’t wissen ein jüngeres Publikum ansprechen. Schon zuvor waren andere Sonderausgaben des Heise-Verlags sehr erfolgreich gelaufen – wie ein Ratgeber-Heft zum Umstieg von Windows XP auf Linux, welches innerhalb von fünf Tagen fertiggestellt wurde und sich mit guter fünfstelligen Auflage zum bestverkauften Heft der Reihe „c’t special“ entwickelte.

Anders als c’t wissen verfolgt Wired, das seit Oktober auch in Deutschland auf dem Markt ist, einen deutlich breiteren Ansatz. „Wir wollen zeigen, wie Technologien unser Leben durchdringen und es verändern“, sagte Wired-Chefredakteur Nikolaus Röttger auf der Wissenswerte. „Cyborgs machen erstmal Angst – Cochlear-Implantate gibt es aber längst.“ Daher soll Wired gemäß dem Motto des englischsprachigen Hefts den Lesern Orientierung geben sowie ein Kompass sein. Röttger will eine Wired-Welt kreieren, an der die Leser jederzeit teilhaben können. So hat das Magazin beispielweise eine Live-Fragerunde mit dem ResearchGate-Mitgründer Ijad Madisch organisiert, Protagonist der Titelgeschichte der ersten Ausgabe. Auch sollen die Leser Wired jederzeit in der Hosentasche haben: Neben dem Hochglanz-Magazin bedient sein Team alle gängigen elektronischen Geräte – ein Teil der Artikel ist jedoch nur für Abonnenten freigeschaltet.

Bei der Beteiligung der Leser und User geht das online-Magazin Krautreporter noch einen Schritt weiter. Es fragt seine zahlenden Mitglieder bei der Anmeldung nach den Themenbereichen, in denen sie sich besonders gut auskennen, um sie in zukünftige Recherchen einzubeziehen.

Krautreporter verdient seine Brötchen dabei nicht durch den Verkauf der Artikel, die alle kostenlos online verfügbar sind. Statt Rechte am Artikel kauft man als Krautreporter-Mitglied den Zugang zum Prozess: Zahlende Mitglieder bekommen Zugang zum Making-of der Recherchen, zu Originalaufnahmen von Interviews sowie zu anderen Quellen – und sie können die Artikel detailliert kommentieren.

Extra Team für „Audience Engagement“

In der Crowdfunding-Kampagne konnte Krautreporter mehr als eine Million Euro sammeln: Ungefähr 17.800 Jahresmitgliedschaften zu je 60 Euro wurden verkauft. Die Augstein-Stiftung hat hiervon 1.000 Abos übernommen und an Journalisten in Ausbildung verschenkt. Herausforderung wird es sein, die Unterstützer aus der ersten Runde zu Abonnenten zu machen. Hierbei hofft der Krautreporter-Gründer und Geschäftsführer Philipp Schwörbel, dem niederländischen Vorbild De Correspondent folgen zu können, das jeden zweiten Unterstützer binden konnte. Zwar hat Krautreporter ein eigenes Team, dass sich um „Audience Engagement“ kümmert – doch sagte Philipp Schwörbel, dass sie gleichzeitig stark auf Mund-zu-Mund-Propaganda setzen.

Alle drei Magazine sind bereit, weiter Experimente einzugehen – wie auch das digitale Wissenschaftsmagazin Substanz, welches erst nach der Wissenswerte online ging und daher noch nicht auf dem Podium vertreten war. In turbulenten Zeiten könne man nicht viel falsch machen, so Jürgen Rink vom Heise-Verlag auf der Wissenswerte. Aufgrund der vielen verschiedenen Publikationsmöglichkeiten lohne es sich, neue Wege auszuprobieren – und zu sehen, ob ein Produkt Potenzial habe.

Nikolaus Röttger setzt gleichfalls auf Trial & Error sowie kleine Fehler, die man automatisch mache und dank der sich Wired weiter entwickele. Auch Philipp Schwörbel war auf der gleichen Linie: Man solle sich mit einem guten Team hinsetzen, neue Formate testen und dabei Risiken eingehen – anstatt zu vielen Panels zu gehen.

 


Feldwisch-Drentrup_hinnerk CroppedHinnerk Feldwisch-Drentrup ist freier Wissenschaftsjournalist und lebt in Karlsruhe.