Pressestellen kommunizieren Wissenschaft immer professioneller – und beanspruchen für sich journalistisch zu arbeiten. Doch genügen Pressemitteilungen tatsächlich journalistischen Standards? Das untersucht der neue Medien-DoktorPR-Watch. VON MARCUS ANHÄUSER und HOLGER WORMER

(Photo credit: CC BY 2.0 Niuton may/flickr.com)

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„Wir machen Journalismus!“ – Es gibt wohl kaum einen Journalisten, der bei solchen Aussagen aus den Pressestellen wissenschaftlicher Einrichtungen nicht zusammenzuckt. Auch Medientheoretiker und Juristen dürften schnell einwenden, dass die Gleichsetzung von PR und Journalismus kaum in Einklang zu bringen ist mit gängigen Erkenntnissen ihres Fachs. Die Idee vom Pressesprecher als Journalisten scheint in der Wissenschafts-PR indes weiter verbreitet zu sein, als man denkt. Mehr noch: Manch einer ist sogar überzeugt, Mitteilungen aus der eigenen Wissenschafts-Institution seien der bessere Wissenschaftsjournalismus, enthielten sie doch weniger sachliche Fehler als Artikel und Beiträge der Journalisten in den Massenmedien.

So sehr man aber darauf hinweisen mag, dass eine Pressestelle vor einer Veröffentlichung wohl kaum die Meinung eines konkurrierenden Instituts als zweite Quelle einholen wird; so sehr man darauf hinweisen mag, dass Pressestellen schon bei der Themenwahl vor allem den Partikularinteressen ihrer Institution verpflichtet sind (während an den Journalismus der demokratische Auftrag einer möglichst unabhängigen Berichterstattung geht) – zwei Entwicklungen sind unübersehbar: Die Wissenschaftskommunikation von Forschungsinstituten und -organisationen hat im Zeitalter der neuen Medien immer mehr den direkten Kanal zum Endnutzer im Blick. Warum etwa solle man nicht wenigstens versuchen, seine Presseinformation gleich (ohne Umweg über den Filter der journalistischen Redaktionen) auch via Internet, Facebook et al. direkt an den Mann und die Frau auf der Straße zu bringen? Und auch rein handwerklich betrachtet scheinen Qualitätskriterien wie beispielsweise „Nachrichtenwert“, „Originalität“, „Relevanz“ oder „Verständlichkeit“ in Wissenschaftsjournalismus und Wissenschafts-PR gleichermaßen akzeptiert zu sein.

Gerade wenn die Medizin-PR Patienten und andere Endnutzer direkt ansprechen will, kommt ihr aber eine neue, besondere Verantwortung zu: Auch eine verantwortungsvolle Pressemitteilung über eine neue Therapie sollte bei Betroffenen keine unnötige Hoffnung wecken, verständlich über Nutzen und Risiken berichten und viele weitere Kriterien erfüllen, wie sie der Medien-Doktor auf medizinjournalistische Beiträge anwendet.

Vor diesen Hintergründen lässt sich der Medien-Doktor auf ein Gedankenexperiment ein: Mal angenommen, die Produkte aus den Pressestellen der deutschen Wissenschaft wären tatsächlich gleichzusetzen mit Wissenschaftsjournalismus, dann müssten sie sich auch nach solchen  journalistischen Qualitätskriterien beurteilen lassen. Genau das wird der neue „PR-Watch“ in den nächsten Monaten versuchsweise tun: Was passiert, wenn man Wissenschafts-Pressemitteilungen aus Medizin- und Umweltforschung anhand jener Kriterien analysiert, die wir für die Begutachtung journalistischer Beiträge nutzen? Und stimmt es, dass viele Pressestellen an Qualität verloren haben, weil sie immer weniger als zuverlässiger Informationsbroker für wissenschaftliche Erkenntnisse arbeiten können und dafür immer mehr ihre Institution vermarkten sollen?

Medien-Doktor PRO unterstützt Journalisten schon bei der Recherche

Wenn Medien begeistert über den Wunderheiler berichten, der mit Weltraummedizin von Schnupfen bis Krebs jede Krankheit therapieren kann, dann ist eine Menge schief gelaufen. Die Gründe für solche medizinjournalistischen Unfälle sind vielfältig: Zeitmangel, Unkenntnis, Überforderung, fehlendes Bewusstsein. Oft aber hätte der rechtzeitige Recherche-Tipp eines erfahrenen Kollegen schon helfen können, um einen Beitrag zu verbessern.

Genau diese Hilfe bietet das Medien-Doktor-Team seit kurzem allen Journalisten an: Medien-Doktor PRO heißt das Angebot, das sich insbesondere an weniger spezialisierte Redaktionen und Autoren richtet, die über Medizin- und Gesundheitsthemen berichten. Jeder, der einen solchen Beitrag plant, kann sich an uns wenden. Wir helfen bei der Einschätzung der Studienlage, geben Tipps für besonders wichtige Fragen beim Interview oder nennen Stellen und Ansprechpartner, wo man weitere Experten für eine Einschätzung finden kann. Das alles ist für die anfragenden Journasten (dank Unterstützung der Robert Bosch Stiftung) kostenfrei – und die Anfrage natürlich vertraulich.

Kollegen mit konkretem Recherchebedarf wenden sich einfach an: marcus.anhaeuser@tu-dortmund.de


wormer_holger CroppedHolger Wormer ist Professor für Wissenschaftsjournalismus und lehrt am Institut für Journalistik der TU Dortmund.

 

 

 

Anhaeuser_Marcus CroppedMarcus Anhäuser ist leitender Redakteur des Medien-Doktor.