Wissenschaftler sagen immer die Wahrheit? Naja. Gerade wenn es ums Essen geht, möchten sich manche nicht so gern die Butter vom Brot nehmen lassen. Schon gar nicht durch die Fakten, stellt KATHRIN ZINKANT fest.
Im ZEITmagazin gibt es aktuell (Nr. 3/2015, leider – noch? – nicht online) ein wirklich interessantes Interview von Elisabeth Raether mit einem der bekanntesten Ernährungsforscher unserer Zeit, David L. Katz von der Public Health School der Yale University. Katz sagt darin natürlich viele Sachen, die man blind unterschreiben kann: Mehr Pflanzen als Tiere essen. Grundsätzlich nicht zuviel. Sowie Fertig- und stark verarbeitete Produkte meiden (dazu eine gute Definition von US-Gesundheitsforscherin Marion Nestle: alles, was mehr als fünf Zutaten hat). Außerdem tut sich der Yale-Experte noch mit der Feststellung hervor, dass ein, zwei Kilo zuviel kein Drama sind. Ok, harmlos.
Als es aber um die wissenschaftliche Evidenz für den Gesundheitswert von Ernährung geht, wird es wirklich toll: Katz zitiert zwei Arbeiten, nämlich eine Metananalyse von 1993 (Abstract oder kruscheliges Draft) und eine prospektive Studie von 2008 (erst 2009 erschienen), beide haben verschiedene Lebensstilfaktoren betrachtet: Rauchen, Bewegung, Gewicht und Ernährung. Ergebnis: deutlicher Einfluss auf Sterblichkeit (1993) bzw. auf das Risiko für chronische Krankheiten (2009). Wie groß aber der Anteil einer mutmaßlich gesunden Ernährung an diesem Einfluss ist, sagt Katz gar nicht. Elisabeth Raether hakt nach, sehr gut, das würde man ja gern wissen: Wie gesund ist denn Ernährung nun wirklich im Vergleich zu Bewegung oder Nichtrauchen? Aber Katz gibt keine Antwort. Warum?
Mal gucken: Die Metaanalyse von 1993 hat das gar nicht separat untersucht – die Forscher erklärten damals, dass sich Ernährung nicht so einfach von Gewicht und körperlicher Aktivität trennen lasse. Es gibt demnach gar keinen Lebensstilfaktor Ernährung (!), sondern nur einen kombinierten Faktor Ernährung/Bewegung. Und die Studie aus der Epic-Gruppe (2009) zeigt letztlich, dass die Ernährung von allen Lebensstilfaktoren – wenn man Essen einzeln als solchen zählen will – den geringsten Einfluss auf das Krankheitsriskisko hat, gerade bei Krebs und Diabetes. Wem das zu relativ ist: Der Effekt bleibt auch absolut betrachtet klein.
Das sind wichtige Erkenntnisse, finde ich, die einem Ernährungsforscher vielleicht nicht so in den Kram passen. Aber wenn man ihn danach fragt, sollte man diese Informationen auch bekommen. Insbesondere, wenn der Befragte sich auf besagte Arbeiten bezieht, um die Bedeutung der Ernährung für die Gesundheit zu illustrieren.
Kathrin Zinkant hat Biochemie studiert und schrieb für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und Zeit Online. Seit August 2014 ist sie Redakteurin im Wissen-Ressort der Süddeutschen Zeitung.
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Kommentare
Kathrin Zinkant schreibt:
21. Januar 2015 um 10:19 Uhr
Das Ganze wirft natürlich Fragen auf. Wie geht man mit sowas um? Muss jeder Journalist VOR so einem Interview alle Studien (oder die entscheidenden) kennen, um ggf. noch hartnäckiger zu fragen, zb?
Redaktion schreibt:
21. Januar 2015 um 12:39 Uhr
Die Frage: Wie kitzelt man aus einem Forscher Fakten heraus, die er eigentlich gar nicht sagen will? Und: Wollen wir wirklich hören (schreiben), dass Ernährung gar nicht so wichtig ist? /cr
AH schreibt:
27. Januar 2015 um 04:45 Uhr
Ein interviewter Wissenschaftler und zwei Studien, sind wohl etwas wenig, um hier eine Aussage zu treffen