Nach fast 200 bewerteten Artikel zieht das Medien-Doktor-Team eine Zwischenbilanz: Der Medizinjournalist im eigenen Haus verbessert die Berichterstattung merklich. Trotzdem kann die Medizinberichterstattung noch weiter optimiert werden. VON HOLGER HETTWER

(Photo credit: CC BY NC SA 2.0: Pete Prodoehl/flickr.com)

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Der Medien-Doktor, ein Ort für Journalisten-Bashing? Diese Sorge, so viel lässt sich nach fast zweieinhalb Jahren Monitoring von Medizinbeiträgen in deutschen Medien sagen, ist wohl unbegründet. Zwar finden sich unter den bald 200 Stücken, die jeweils zwei der rund 25 Medien-Doktor-Journalisten nach dem Vorbild eines „Peer-review-Verfahrens“ bisher begutachtet haben, auch solche Beispiele, die jedes Bewusstsein für guten Medizinjournalismus vermissen lassen. Aber ebenso oft finden sich „5-Sterne-Beiträge“, die gut informieren – und das sogar auf unterhaltsame Art und Weise.

Auch jenseits dieser Extreme sind allmählich erste Trends und Muster erkennbar, die andeuten, wie gut Journalisten über Therapien, Arzneimittel, Medizinprodukte oder diagnostische Tests berichten; wo Fallstricke liegen und welche Lösungen man in Journalistenweiterbildungen aufzeigen könnte, um Leser, Zuschauer und Zuhörer besser zu informieren. Über alle begutachteten Beiträge betrachtet gibt es Defizite vor allem bei drei Kriterien – die viele zugleich für die wichtigsten halten: In zwei von drei Beiträgen (69%) wird der mögliche Nutzen eines medizinischen Verfahrens nur unbefriedigend beschrieben (häufig sind die Angaben nur allgemein, es fehlt jede Zahl, die den Nutzen konkreter skizziert). Ebenso gehen die meisten Beiträge (71%) zu knapp oder gar nicht auf Risiken und Nebenwirkungen ein – fast so, als wollten Journalisten nur die Überbringer guter Nachrichten sein. Und am häufigsten versagen die Autoren in unserer Stichprobe bei der Einordnung der Belege. In drei von vier Beiträgen gibt es zu wenige Informationen dazu, wie gut ein Verfahren in Studien untersucht oder wie aussagekräftig eine vorgestellte Studie überhaupt ist.

Defizite vor allem im Lokal- und Regionaljournalismus

Die Defizite drücken sich vor allem im Lokal- und Regionaljournalismus aus, die durchschnittlichen Ergebnisse liegen dort mit 2,2 Sternen unter dem der anderen Medienkategorien (2,9). Dies scheint sich mit dem Eindruck zu decken, dass Beiträge von spezialisierten Wissenschafts- und Medizinjournalisten oder aus Wissensressorts im Großen und Ganzen besser abschneiden als andere. Denn explizite Medizinjournalisten oder Ressorts gibt es in Regional- und Lokalredaktionen selten.

Auf der anderen Seite sind wir in zweieinhalb Jahren auch auf nachahmenswerte Lösungen für Probleme gestoßen – etwa für die Einordnung von Studien etc. (Kriterium Belege), die selbst für aufmerksame Leser offenbar leicht als „zu sperrig“ angesehen werden. So lagert das Gesundheitsressort bei Spiegel Online Detail-Informationen über solche Studien oft in einen Infokasten aus („Die Studie im Detail“). Im Fließtext erhalten Leser zwar bereits Hinweise, wie aussagekräftig eine Untersuchung ist. Im separaten Kasten lesen sie dann aber Antworten zu konkreten Aspekten wie „Ziel“, „Studiendesign“, „Ergebnissen“ und explizit den „Schwächen“ einer Studie. Somit sorgt die Redaktion dafür, dass die sperrigen, aber wichtigen Infos die Leser erreichen können, ohne sie im Lesefluss der Hauptgeschichte zu stören. Genau solche beispielhaften Lösungen einem breiteren Kreis von Journalisten vorzustellen, bleibt – jenseits seiner Kritik- und Warnfunktion – ein wesentliches Ziel des Medien-Doktor.

Eine ausführlichere Auswertung der Medien-Doktor-Gutachten erscheint voraussichtlich Ende 2013 in: Lilienthal/Reineck/Schnedler (Hg.): „Qualität im Gesundheitsjournalismus“, VS-Verlag.

 


Holger_Hettwer CroppedHolger Hettwer ist Projektleiter der WISSENSWERTE im gemeinsamen Projektbüro von TU Dortmund und WPK. Darüber hinaus arbeitet er als Freier Mitarbeiter für die WPK.